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Ausgabe 12/99   Seite 37ff

Am 11. November 1999 wandte sich der "Deutsche Initiativkreis für das Verbot von Landminen"(1) in einem offenen Brief an Bundeskanzler Schröder. Darin wird der Bundeswehr vorgeworfen, auch weiterhin Anti-Personen-Minen zu lagern und auf diese Weise das Ottawa-Abkommen von Dezember 1997 zu unterlaufen. Der Initiativkreis bezieht sich dabei auf die ca. 88.000 Splitterminen MUSPA, die offiziell jedoch nicht als Anti-Personen-Minen bezeichnet werden. Doch nicht nur das Beispiel der MUSPA-Mine macht deutlich, wie lückenhaft das AP-Minenverbot praktisch ist.

Gute Minen - Böse Minen

oder wie das Verbot von Anti-Personen-Minen unterlaufen wird


Am 1. März 1999 trat die völkerrechtlich verbindliche "Konvention zum Verbot der Anwendung, Lagerung, Produktion und des Transfers von Anti-Personen-Minen und zu ihrer Zerstörung" in Kraft, nachdem sechs Monate zuvor der 40. Staat die Ratifikationsurkunde bei der UNO hinterlegt hatte. Deutschland ratifizierte die Konvention am 23.7.98. Mittlerweile haben bereits 84 Staaten den Vertrag ratifiziert (Stand: 20.9.99), weitere 51 Staaten haben das Abkommen unterzeichnet.(2) Für die Bundeswehr bedeutete die Konvention ein Verbot von lediglich 40% ihres Gesamtbestandes an Landminen.(3) Dem deutschen Militär fiel der Verzicht auf AP-Minen deshalb so leicht, weil bis 1995 eine umfassende Modernisierung des Bestandes an Anti-Panzer- und Anti-Fahrzeug-Minen (Englisch: AT/AV-Minen) der Bundeswehr abgeschlossen war.(4) Allein von 1990-94 wurden 2,2 Mrd. DM zur Beschaffung moderner Minentechnologie investiert.(5) Und auch in den nächsten Jahren wird die Bundeswehr mindestens 745 Mio. DM für Forschung, Entwicklung und Beschaffung militärisch motivierter Minentechnologie ausgeben.(6) Auch andere Staaten investieren weiterhin massiv in moderne, d.h. noch tödlichere Minentechnologie. Dabei werden ältere AT/AV-Minen hochgerüstet und neue Minentypen zur Kompensation der nun geächteten AP-Minen entwickelt. Weiterhin stellen Landminen einen integralen Bestandteil militärstrategischer Planungen aller Streitkräfte dar.(7) Mit dem Inkrafttreten der APM-Konvention ist das Landminenproblem also noch lange nicht vom Tisch.

Unzulänglichkeiten der Konvention

Die Konvention selbst hat sich zudem in der Praxis als wenig effektiv erwiesen, das Ziel, zu dessen Zweck sie vereinbart worden ist, zu erreichen. Noch immer werden Menschen von Minen direkt bedroht bzw. werden Minen verwendet, die durch eine eindeutige AP-Wirkung gekennzeichnet werden können. Das bezieht sich nicht nur auf Minentypen, die sich in einer klassifikatorischen Grauzone befinden, wie bspw. Submunitionsminen, sondern auch auf AT/AV-Minen, die explizit vom Verbot ausgenommen sind. Artikel 2 Ziffer 1 der Konvention definiert AP-Minen im Unterschied zu AT/AV-Minen wie folgt: " 'Anti-Personen-Mine' bezeichnet eine Mine, die so konstruiert ist, daß sie durch Anwesenheit, Nähe oder Berührung eines Menschen explodiert und Menschen dadurch außer Gefecht setzt, verletzt oder tötet. Minen, die im Gegensatz dazu so konstruiert sind, daß sie bei Anwesenheit, Nähe oder Berührung eines Fahrzeugs detonieren und die mit einem Aufhebeschutz ausgestattet sind, werden wegen dieser Ausstattung nicht als Anti-Personen-Minen betrachtet."(8)

Legale Minen mit Anti-Personen-Wirkung

Das erste Problem was sich hieraus ergibt, ist die Tatsache, daß auch AT/AV-Minen, die primär gegen Fahrzeuge gerichtet sind, auch durch Personen ausgelöst werden können. Dies betrifft solche Minen, die entweder über Zünder verfügen, die bei geringem Druck aktiviert werden ("low pressure threshold"-Minen und Kippzünder-Minen) oder die über Stolperdraht bzw. über sog. "breakwires" gezündet werden, oder Minen, die durch lichtsensitive Sensoren ausgelöst werden.(9) Zudem können auch AT/AV-Minen mit Magnetzünder oder mit seismischen, akustischen, Infrarot-, Bewegungs- und optischen Sensoren sowie mit Lichtwellenkabel grundsätzlich nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen (Fahrzeugen) unterscheiden.(10) So ist es nicht außergewöhnlich, daß immer wieder Menschen durch AT/AV-Minen getötet werden - allein in Angola bspw. fielen von April 1995 bis Januar 1996 mindestens 111 Menschen diesen Minen zum Opfer.(11) Das zweite Problem bezieht sich auf die explizite Legalisierung von Minen mit einem sog. Aufhebeschutz. Gerade diese Bestimmung wird von der internationalen Landminenkampagne und humanitären Minenräumorganisationen vehement kritisiert. Nach Ansicht des Initiativkreises "haben solche Waffen als APM zu gelten"(12), da gerade der Aufhebeschutz gezielt gegen Menschen gerichtet ist und eine Räumung der Mine nahezu unmöglich macht.(13) Aufhebsperren gehören heute zur Grundausstattung einer "modernen" Mine. Auch die Bundeswehr hat Minen im Bestand, die über einen solchen Aufhebeschutz verfügen (AT-2, DM-31 und MIFF).(14) Erst kürzlich wurde bekannt, daß die Bundesregierung die AT-2 zusammen mit dem Minenwerfersystem "Skorpion" an Griechenland liefern will.(15)

Mine in der Grauzone - Die MUSPA

Ein anderes Problem stellen Minen dar, deren Klassifizierung umstritten ist. So bezeichnen die Hersteller (DASA/Rheinmetall)(16) wie auch die Bundesluftwaffe bspw. die Splittermine MUSPA ("Multi-Splitter Passiv-Aktiv") entweder als "Rollbahnmine" oder als "Submunition" der "Mehrzweckwaffe/MW 1", die von Tornado-Kampfjets mitgeführt und mittels der die MUSPA fernverlegt wird.(17) Auf der "Humanitarian Demining Website" des US-Verteidigungsministeriums (http://www.demining.brtrc.com) wird die MUSPA im Minen-Identifikations-Verzeichnis hingegen als Anti-Personen-Mine aufgeführt. Zwar werden auch dort als primäre Zielobjekte Fluglandebahnen und motorisierte Einheiten angegeben(18), doch scheint für die Klassifikation als AP-Mine v.a. die Tatsache entscheidend, daß durch die MUSPA 2.100 kleine Stahlkugeln verstreut werden, die sich eindeutig gegen "weiche Ziele" richten. Unklar ist zudem, ob die MUSPA, die über einen akustischen Sensor verfügt, tatsächlich nur durch Triebwerksgeräusche von Flugzeugen aktiviert wird oder ob auch schon Motorengeräusche bspw. von LKWs oder Bussen ausreichen.(19) Der Fall der MUSPA macht deutlich, daß sich zwei grundlegend verschiedene Ansätze der Klassifikation einer Landmine gegenüberstehen: seitens der Hersteller und der Militärs erfolgt die Klassifizierung nach technischen Kriterien, insbesondere der Intention, d.h. dem primären Zielobjekt einer Mine; die Landminen-Gegner (http://www.landmine.de) legen eine "effekt-orientierte Definition" zugrunde, d.h. sie klassifizieren eine Mine nach deren Wirkung; die Konvention leistet eher einer militärisch-technischen Interpretation Vorschub, wie die Exklusion von Minen mit Aufhebeschutz aus den Verbotsbestimmungen zeigt.

Handlungsbedarf

Im Kern handelt es sich jedoch nicht um ein Definitionsproblem, sondern darum, inwieweit der politische Wille vorhanden ist, ein umfassenderes Verbot angehen zu wollen. Denn bekanntlich sind juristische Regelungen subjektiv interpretierbar. In deren Auslegung manifestiert sich die Absicht des Interpretierenden, d.h. wie ernst es der sich den Regeln verpflichtet habende Akteur wirklich mit deren Umsetzung meint. In diesem Sinne sollte sich die rot-grüne Bundesregierung dafür einsetzen, daß auch AT/AV-Minen, die durch Menschen ausgelöst werden können, unabhängig davon, gegen welche Ziele sie konzipiert sind, als AP-Minen klassifiziert und damit verboten werden. Zudem sollte sie grundsätzlich eine "effekt-orientierte Definition" bei der Entscheidung über die Delaborierung einer Mine zugrunde legen. Davon scheint das Kabinett Schröder jedoch weit entfernt, da vor allem die SPD auf einer engen Auslegung des Artikel 1 der APM-Konvention beharrt.(20) So bleiben Stimmen, wie jene von Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul (SPD), die fordert, "einen Ottawa-2-Vertrag vor(zu)bereiten, in dem auch andere Waffen geächtet werden, zum Beispiel Anti-Fahrzeug-Minen", eher die Ausnahme.(21) Zwar scheint es innerhalb der Grünen auch den Willen zu geben, auf eine Ausweitung der Bestimmungen der APM-Konvention zu drängen(22), doch scheint Skepsis angebracht hinsichtlich der Durchsetzungsfähigkeit humanistisch inspirierter Politik gegenüber militärstrategischen und wirtschaftlichen Interessen. krz

Anmerkungen
(1) Kontakt: Deutscher Initiativkreis für das Verbot von Landminen, Büro Berlin, Markus Haake, Rykestr. 13, 10405 Berlin, Tel 030/4213686, Fax 030/42801688 oder -/4410221, Mail gibl.haake@t-online.de, http://www.landmine.de
(2) Siehe: Ratification update unter: http://www.icbl.org/ratification/ratsep20-99.html
(3) Thomas Küchenmeister, "Gute Mine" zum bösen Spiel? Landminen made in Germany (Publikation des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit/BITS), Idstein 1995, S.51/52
(4) Ebd., S.54
(5) Thomas Küchenmeister, Gute Mine - böse Mine!? Warum auch Anti-Fahrzeugminen verboten werden sollten (Informationspapier des Deutschen Initiativkreises für das Verbot von Landminen), Berlin, November 1999, S.2
(6) Ebd.; zum Vergleich: für Minenräumungsprogramme sind für das Haltshaltsjahr 1999 im Etat des Auswärtigen Amtes 17,5 Mio. DM bewilligt. Vgl.: Blickpunkt Bundestag 2/99, S.31
(7) Vgl.: Küchenmeister 1999, a.a.O., S.3
(8) Offizieller Vertragstext siehe: http://www.igc.apc.org/disarm/oslotext.html; zum Verhandlungsprozeß und für eine Einschätzung der Konvention siehe: ami 11/97, S.33ff.
(9) Vgl.: Küchenmeister 1999, a.a.O., S.5/6
(10) Vgl. dazu: Küchenmeister 1999, a.a.O., S.6
(11) Küchenmeister 1999, a.a.O., S.7; 26% der in Somalia während der Operation Restore Hope getöteten US-Soldaten fielen ATM zum Opfer. Ebd., S.4
(12) Zit. nach: Offener Brief des Initiativkreises vom 11.11.99
(13) Art. 1 Zif. 3 der Konvention definiert "Aufhebeschutz" als "eine Vorrichtung, die eine Mine schützen soll und Teil der Mine, mit ihr verbunden, an ihr befestigt oder unter ihr angebracht ist und die bei dem Versuch, sich an der Mine zu schaffen zu machen oder sie anderweitig gezielt zu stören, aktiviert wird." Offizieller Vertragstext, siehe Fußnote 8
(14) Vgl.: Küchenmeister 1999, a.a.O., S.5/6; Küchenmeister beziffert den Bestand an AT-2 auf ca. 1,2 Mio. Stück mit Beschaffungskosten von rund 2,1 Mrd. DM. Küchenmeister 1995, a.a.O., S.52
(15) Anfang November erklärte das BMVg, daß die Bundeswehr nach Anfrage Griechenlands im Januar 1999 bereit sei, 23.000 AT-2 sowie 23 Minenwerfer "Skorpion" an die griechischen Streitkräfte zu liefern. Die AT-2 können Panzer vom Typ Leopard II zerstören. Das BMVg räumt ein, daß die AT-2 durch Berührung durch einen Mensch detoniere; der Aufhebschutz würde sich jedoch nach maximal 96 Stunden selbst deaktivieren. Vgl.: taz, 4.11.99
(16) Bis 1994 wurden von DASA und Rheinmetall für die Bundeswehr und die italienischen Streitkräfte 50.000 Stück mit einem Auftragswert von 120 Mio. DM produziert; der Anteil von DASA betrug dabei rund 80 Mio. DM. Vgl.: Wolfgang Menzel, Mines & More. Bericht von der Aktionärsversammlung von Daimler-Chrysler 1999, 18.5.99, in: Dachverband Kritischer AktionärInnen DaimlerChrysler/KADC: ourworld.compuserve.com//homepages/Critical_Shareholders/daimler.htm
(17) Vgl.: Minen-Glossar des Initiativkreis-Website-Projekts: http://www.landmine.de; ein anderes Beispiel für die Umdeklaration einer AP-Mine ist die "Claymore"-Mine (bei der Bundeswehr als "DM 51" aus dem Bestand genommen), die seit einigen Jahren von den Herstellern als AV-Mine oder "Richt-Splitterladung" bezeichnet wird. Siehe dazu: Küchenmeister 1999, S.7/9
(18) Als sekundäre Zielobjekte werden Kommandoeinrichtungen, Geschützstellungen, Nachschub- und Aufmarschgebiete bzw. Truppenkonzentrationen angegeben.
(19) Küchenmeister 1999, a.a.O., S. 9
(20) Vgl.: taz, 3.1.99
(21) Zit. nach: Küchenmeister 1999, a.a.O., S.1
(22) So erklärte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, sie wolle sich dafür einsetzen, auch die AT-2 als AP-Mine einzustufen. Vgl.: taz, 4.11.99
 

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