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Ausgabe 1/00 Seite 33ff |
Im November genehmigte der Bundestag Mittel für eine Stiftung zur Förderung von Friedens- und Konfliktforschung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wird in den nächsten 5 Jahren 50 Millionen DM zur Verfügung stellen.(1) Doch das Stiftungsdesign der "Stiftung Frieden" war noch nicht inhaltlich oder organisatorisch näher ausgearbeitet und doch waren schon Forschungsprojekte seit August 1999 finanziert, teilweise mit Laufzeiten von drei Jahren, die mittlerweile wieder auf ein Jahr zurückgeholt wurden. Der Etat für das Jahr 2000 war jedoch schon zur Hälfe vergeben obwohl es weder Stiftungsrichtlinen, Förderkriterien oder Bewerbungsformalia gab und gibt. Mitglieder der die Stiftung derzeit inhaltlich ausgestaltenden Gremien finden sich so häufig als ProjektleiterInnen in der Liste der genehmigten Projekte, daß die Vermutung einer friedenswissenschaftlichen Klüngelwirtschaft naheliegt.
Ziel der Stiftung ist es, die Friedensforschung dauerhaft in der deutschen Forschungs- und Politikberatungslandschaft heimisch zu machen. Als Stiftungszweck der verzehrenden Stiftung - d.h. die 50 Mio. DM werden im Jahre 2004 aufgebraucht sein, wenn sich nicht Stifter aus Wirtschaft und Gesellschaft mitengagieren - nennt ein Satzungsentwurf: "Förderung wissenschaftlicher Vorhaben, Initiierung wissenschaftlicher Vorhaben, einschließlich der Vergabe wissenschaftlicher Studien und Expertisen, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, herausragender wissenschaftlicher Leistungen und die Durchführung nationaler und internationaler wissenschaftlicher Konferenzen."(5) Allerdings ist dieser inhaltliche Rahmen noch nicht weiter ausformuliert. Dazu wurden im Oktober 1999 elf Initiativgutachten eingeholt.(6)
Die Zusammenfassung dieser Gutachten liefert den Eindruck, als sei noch gar nichts sicher bezüglich der inhaltlich-organisatorischen Ausformung der Stiftungsarbeit. Auffallend ist jedoch: Keines der Gutachten läßt eine grundsätzlich-pazifistische Einstellung durchscheinen. Es gibt kein Gutachten, dem ein völlig und ausdrücklich militärfreies Forschungskonzept Friedensforschung zugrunde liegt. Nirgends wird z.B. die Idee einer Arbeitsteilung vertreten: Sicherheits- und Außenpolitikforschung könnte (wie gehabt unter Inkaufnahme der militärischen Option) durch die etablierten Institute vertreten sein und aus den üblichen Töpfen gefördert werden. Die neue Stiftung könnte dann - so mein Vorschlag - ausschließlich zur Fördung der Erforschung von Friedens-, Präventions-, Mediations- und Befriedungskonzepten ohne militärische Komponente beitragen. Genau in diesem Bereich nämlich liegen Forschungsstand, -ergebnisse und -aktivitäten im argen - und genau dort liegen die größten Potentiale zur nachhaltigen Vorbeugung, Verhinderung, Linderung und Nachsorge von Kriegen und kriegerischen Konflikten. Ein solcher Vorschlag steht jedoch nicht einmal im Raum. Die Gegenmeinung hingegen, die am liebsten alles, was mit Friedensforschung zu tun hat (und vor allem die Gelder) in der Strategie- und Sicherheitsdiskussion aufgehen sehen würde, tritt selbstbewußt auf: "Die Zukunft der Friedens- und Konfliktforschung liegt in der nationalen und internationalen strategic community."(7)
Eine Struktur- und Findungskommission wird sich im Januar 2000 zum zweiten Mal treffen, die Gutachten auswerten und an der endgültigen Ausformung der Stiftung arbeiten. Neben Egon Bahr, Marion Gräfin Dönhoff und Hans Koschnik sind in der Kommission die ProfessorInnen und Doktoren zu finden - die Vertreter der etablierten Institute, teilweise in ein und derselben Person. (8)
Die ersten Gelder wurden über die DLR - Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt, quasi die deutsche NASA - vergeben. Dieses Unternehmen betätigt sich neben seiner Tätigkeit im Rüstungs- und Raumfahrtgeschäft als "Wissenschaftsdienstleister und -organisator".(9) Die DLR übernimmt in den ersten drei Jahren die "Projektstabsarbeiten", d.h. organisatorische und infrastrukturelle Aufgaben. So schöpft sie als ein offensichtlich absolut friedenswissenschafts-fremdes Unternehmen 690.000 DM ab, den größten bisher veranschlagten Einzelposten der Stiftungsfinanzplanung überhaupt (siehe zu allen, auch den folgenden Beträgen, Tab. 3). Weitere Punkte der Tabelle "Prioritäre Erste Maßnahmen (PEM)" erzeugen Stirnrunzeln: Welche "Innovativen Suchprozesse" will der VDI erforschen - der Verein deutscher Ingenieure? Für ein Projekt namens "Präventionskonzept (Entwurf)" bekommt Herr Prof. Dr. Eberwein 78 000 DM. Die Relevanz der sicherlich hochinteressanten Publikationen zur Klimaphysik des Herrn Prof. Dr. Schellnhuber im Rahmen seines Projekts "Integrierte Konfliktanalyse" für eine Stiftung Friedensforschung bleibt auch noch genauer zu untersuchen.(10)
Naturwissenschaftliches Know-How für
die Friedensforschung zu mobilisieren, scheint zunächst sinnvoll.
Doch wie fließend dürfen die Grenzen sein zwischen rüstungstechnischer
und friedenswissenschaftlicher Forschung? Auch in der Wissenschaft gibt
es ein "Dual-Use"-Problem, das es wenigstens zu diskutieren gilt, wenn
breite staatliche Förderung unter dem Label der Friedensforschung
eingefahren wird wie durch den Projektverbund "Naturwissenschaft für
Abrüstung und internationale Sicherheit" in Hamburg, Darmstadt, Dortmund
und Berlin, der z.B. folgende beiden Vorhaben beinhaltet: "Sensorverifikation
von Begrenzungen schwerer Landfahrzeuge -Nachweisverfahren und -system
(Experiment: N, IIa/2, Bochumer Verifikationsprojekt BVP/Institut für
Experimentalphysik III, Ruhr-Universität Bochum;: Elektronikentwicklung:
technischer Informatiker, IIa/2, Institut für Informatik, Humboldt-Universität
Berlin)"; und: "Änderungsdetektion mit Satelliten- / Luftbildern von
1 m Ortsauflösung zur Unterstützung von Verifikation und Krisenprävention
(N, IIa/2, Center for Science and International Security/ Fachbereich Physik,
Universität Hamburg)." (11)
Wo liegt die friedenspolitische Relevanz der Förderung des Kernforschungszentrums
Jülich? Wo die des Projektverbunds Waffentechnik? Oder drückt
sich hier etwa eine Art Schirmherrschaft des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt aus? Daneben nichtssagende Projekttitel - wahllos genannt
sei z.B. "Friedensgestaltung im Kontext globalen Wandels" (Herr Prof. Dr.
Senghaas). Von den verschiedenen Vorhaben, die - Insidern bekannt - schon
lange laufen oder erfolglos auf Finanzierungssuche waren und hier jetzt
unterkriechen konnten - wo bleibt die Innovation? - ganz zu schweigen.
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Sicher: Anlaufschwierigkeiten im Zusammenhang
mit einer derartigen Neugründung lassen sich nicht vermeiden und das
Instrument der Prioritären Ersten Maßnahme (PEM) ist ein durchaus
übliches Mittel für solche Situationen. Eine Nachfrage im Ministerium
ergab, daß alle Projekt zum Ende des Jahres 2000 reguläre Verlängerungsanträge
zu stellen haben - die Laufzeiten von bis zu drei Jahren seien nur Rahmenplanung.
Auch sei es durchaus so gedacht gewesen, wie es gelaufen ist: Da das Ministerium
selbst nicht mehr wie bisher Friedensforschung fördern werde, seien
die meisten Empfänger der PEM solche Projekte, für die das BMBF
die Förderung zum Jahresende '99 einstelle und die spätestens
ab dann über die Stiftung abgefangen werden sollen. Naiv betrachtet
könnte man zuspitzen: Eine reine Umfinanzierung wird hier politisch
doppelt ausgeschlachtet: Einerseits kann das BMBF Einsparungserfolge vorweisen
und andererseits die Schaffung einer Friedensstiftung. Das würde auch
erklären, warum es zur Stiftungsentscheidung zwar Pressemeldungen
gab - jedoch keine öffentliche Ausschreibung der Mittel der PEM. Aus
dem Ministerium war dazu nichts zu hören. Von den Friedensforschern
und -forscherinnen wußte niemand Bescheid - außer denen, die
Gegenstand dieser Umfinanzierungsmaßnahme waren. Einzig im AFK-Rundbrief
(Juli 1999) fand sich ein Hinweis auf die geplante Gründung mit einer
Ministeriumsadresse.
Zusammengefaßt: Diejenigen, die die
Stiftung inhaltlich-organisatorisch aufbauen, gewähren sich selbst
offensichtlich großzügige Projektfinanzierungen bevor Außenstehende
(NROs, Nachwuchs, Fachpublizistik,...) zum Zuge kommen, bevor überhaupt
Förderrichtlinien bestehen und eine transparente Stiftungsarbeit gewährleistet
ist. Dem Einwand 'es sind ja noch Gelder da für die Jahre 2000 und
darüberhinaus' bleibt zu entgegnen: Wie können derart hohe Summen
schon bewilligt sein während die Stiftung inhaltlich im Grunde noch
gar nicht existiert?
Dabei scheint - wie es sich im Querschnitt durch die Initiativgutachten bereits andeutet - die radikalpazifistische Position auf der Strecke zu bleiben. Nirgendwo mehr findet sich die ausdrückliche Absage an die ultima ratio des Militäreinsatzes. Die Rolle der Militärs in der Konfliktbearbeitung wird bestenfalls stillschweigend umgangen und damit akzeptiert. Damit ist der Begriff der Friedens- und Konfliktforschung um 180° verkehrt. In der Förderungspraxis zeigt sich diese Orientierung bereits heute in der Häufigkeit waffentechnisch orientierter Projekte. So ist ein ganzer Projektverbund zu Biowaffen, Raketenabwehr, EM-Waffen, Laser, Mikro- und Nanosystemtechnik in Vorbereitung. Dieser inneren Logik folgend findet im ganzen ein struktureller Neuansatz nicht statt. Die Chance zur Schaffung bzw. Stärkung von Kapazitäten und Arbeitsmöglichkeiten, d.h. auch eines Arbeitsmarktes für Friedensforschung im außeruniversitären und außerforschungsinstitutionellen Bereich, dem NRO-Bereich, wird derzeit vergeben. Hier wäre eine zeitweilige institutionelle Förderung notwendig, um die NROs durch den Aufbau eigener Kapazitäten zu befähigen, später die finanziellen Möglichkeiten der von der Bundesregierung angekündigten Stiftungsreform nutzen zu können. Nirgends ist zu erkennen, daß unabhängige NROs künftig gleichberechtigt Fördermittel als Projektmittel beantragen könnten. Die Bindung der Fördermittel an staatliche und universitäre institutionelle Träger oder politische Stiftungen wird nicht aufgebrochen, die Chance einer Stärkung bürgerbasierter Friedensprojekte und ihrer friedenswissenschaftlichen Auswertung und Aufarbeitung vergeht.
Die Förderung von Friedensforschung wird so von Rot-Grün/der Neuen Mitte in den Ausbau universitärer und nichtstaatlicher Kapazitäten zur Außen- und Sicherheitspolitikforschung genutzt - und die etablierten Institute und Persönlichkeiten machen dabei mit, nicht ohne sich schadlos zu halten. Projekte mit Politikberatungseignung werden bevorzugt werden - auch wenn sich hierin alle wissenschaftlichen Gutachter einig sind: Wissenschaftlichkeit nicht durch eine solche Zweckbindung zu knebeln. Dort, wo dennoch NROs ins Boot geholt werden (z.B. Plattform ZFB), wird auf diesem Wege zunehmend staatliche Außenpolitik via nichtstaatlicher Organisationen(17) betrieben. So werden auch in diesem Bereich tendenziell eher abhängige und nicht unabhängig-kritische Strukturen geschaffen. Letzteres aber ist offensichtlich viel nötiger zur Erweiterung der politischen Handlungsspielräume für alle, die es nach wie vor ernst meinen mit einer Außenpolitik als Friedenspolitik. eus
Anmerkungen
(1) Ansprechpartnerin im BMBF: Frau Irene
Rüde, Bundesministerium für Bildung und Forschung, 53170 Bonn,
tel 0228-57-3226, fax 0228-57-3601, mailto:Irene.Ruede@BMBF.BUND400.DE
(aus AFK-Rundbrief Juli 1999)
(2) Ministerielle Definition von Friedensforschung;
in: Kleine Anfrage der Abgeordneten Böttcher, Fink und der PDS-Fraktion
(BT-Drucksache 14/1763 vom 5.10.1999), siehe http://bicc.uni-bonn.de/coop/afk/papier9.htm
(3) ausführlich: ami
10/99, Seite 28f.
(4) vgl. FR vom 2.11.99. Aufgestockt wurden
EP 5, Kapitel 0502, Titel 68644 "Unterstützung von internationalen
Maßnahmen auf den Gebieten Krisenprävention, Friedenserhaltung
und Konfliktbewältigung durch das AA" und EP 23, Kapitel 2302, Titel
68602 "Ziviler Friedensdienst".
(5) vgl. Referentenentwurf zum Stiftungsgeschäft
(Satzungsentwurf) vom 5.11.1999
(6) Bei 20 bis 30 Schreibmaschinenseiten
und teilweise seichter Rezitation von friedenswissenschaftlichen Gemeinplätzen
für die Beantwortung eines sehr konkreten Fragenkatalogs zu Situation,
Zweck und Möglichkeiten der Friedensforschung läßt sich
bei einigen der Gutachten das jeweilige Honorar von 20.000 DM bestenfalls
durch die Dringlichkeit der Angelegenheit rechtfertigen.
(7) Michael Stürmer, in: Synopse:
Initiativgutachten zur Friedens- und Konfliktforschung, S. 23.
"Strategic Community" ist die Gemeinschaft
all der Wissenschaftler, Publizisten und Lobbyisten, die die theoretischen
Konzepte zur Legitimation militärmachtgestützter Außenpolitiken
(d.h. der herrschenden außenpolitischen Verhältnisse) erarbeiten
und sich damit den Regierenden andienen.
(8) vgl. Protokoll der 1. Sitzung der
Struktur- und Findungskommission vom 15.11.1999
(9) Nicht zu verwechseln mit dem Lobby-Verein
der deutschen Rüstungsindustrie DGLR - Deutsche Gesellschaft für
Luft- und Raumfahrt - Lilienthal-Oberth e.V.
(10) vgl. die Publikationsliste: http://www.pik-potsdam.de/portrait/schellnh/home/hjs_publ/hjs_publ.htm
(11) Als Stellenausschreibungen gefunden
auf der Homepage des BICC (http://bicc.uni-bonn.de/coop/afk/aktuell.htm#Job).
(13) Im Begriff des Nachwuchses selbst
spalten sich noch einmal die Geister: Im akademisch-professoralen Verständnis
beschäftigt sich der Nachwuchs nach erfolgreicher Dissertation mit
seiner Habilitation und arbeitet an einem der einschlägigen Institute.
Er kann altersmäßig durchaus auch mal weit jenseits der vierzig
sein - in der Regel ist er Mitte bis Ende dreißig. Dem widerspricht
grundsätzlich ein intuitiver Begriff von Nachwuchs, der im Sinne einer
nachhaltigen Verbreiterung der friedenswissenschaftlichen Basis wünschbar
wäre: Nachwuchs tummelt sich in Pro- und Hauptseminaren an den Universitäten
und kann aktiv über ein entsprechendes inhaltliches Angebot an friedenswissenschaftliche
und -politische Themen herangeholt werden und muß in dieser Phase
beschäftigt werden. Das Nachwuchsdasein ist mit der studienvertiefenden
und -abschließenden Promotion endgültig zu Ende.
(14) Wobei auch dieses Lobbybündnis
durchaus differenziert zu sehen ist: Auch hier finden sich Partner, die
aufgrund des Versiegens traditioneller Geldquellen (z.B. Mitgliederschwund
der Kirchen) lediglich auf der Suche sind nach neuen Finanzquellen für
traditionelle (um nicht zu sagen veraltete) Strukturen.
(15) Soviel läßt sich nach
einer eingehenden Lektüre der Initiativgutachten zusammenfassen.
(16) Jeder, der sich bisher mit Hardware,
Organisationsformen oder Kritik realer politischer Entscheidungsprozesse
beschäftigt hat, scheint dabei unter die Analytiker zu geraten.
(17) NYGO's/ Not yet governmental organizations,
sehr schön übrigens umschreibt/verrät der Politologenjargon
hier das immanente Ziel der Vereinnahmung über Finanzierung.
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