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Ausgabe 11/00   Seite 37ff

Uniformen werden zunehmend zum Bestandteil einer uns alltäglich umgebenden Wirklichkeit. Die wachsende Selbstverständlichkeit der Uniform als alltägliches Kleidungsstück befördert auch die Selbstverständlichkeit der Bundeswehr als Institution und ihre gewaltbasierten "Lösungsbeiträge" in der Politik. Der Artikel reduziert diesen Zusammenhang zunächst bewußt auf ein ästhetisches Problem. Dann will er einen Vorschlag zur antimilitaristischen Praxis unterbreiten und zur Diskussion stellen: Uniformverhöhnung.

Markus Euskirchen

Uniformen im zivilen Alltag

Uniformenverhöhnung gegen militärische Selbstverständlichkeiten

Bundeswehr und Gesellschaft

Die Bundeswehr gibt sich Mühe mit ihren Imagekampagnen(1) Auch die Regelmäßigkeit ihrer großen öffentlichen Gelöbnisse und Zapfenstreiche und der kleinen feierlichen Veranstaltungen an den verstreuten Standorten untermauern die Selbstverständlichkeit der militärischen Institution in Deutschland. Das war nicht immer so. Gegründet wurde die Bundeswehr von Kanzler Adenauer gegen die Überzeugung der damaligen Bevölkerungsmehrheit: "Ohne Uns!" formulierte Volkes Stimme angesichts atomarer Aufrüstung und Kaltem Krieg noch zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch nach dem Ende der Blockkonfrontation 1989-1991 erwarteten die meisten eine "Friedensdividende"; tatsächlich erklärten sogar die Militärs, daß ihnen ihre bis dato einzige Aufgabe, die Landesverteidigung, abhanden gekommen sei. Zehn Jahre später ist heute klar: Nicht Abrüstung und Zivilisierung standen auf dem Programm, sondern nationale Umstrukturierung zur Interventionsarmee und die Integration militärischer Potentiale auf europäischer Ebene standen auf dem Programm: Nationale Umrüstung und europäische Militarisierung statt Konversion und Friedensdividende lautet die friedenspolitische Bilanz des vergangenen Jahrzehnts. Dieser Prozeß ist begleitet von einem unterschwelligen Bewußtseinswandel hinsichtlich der verbreiteten Einstellungen zu Bundeswehr, Militäreinsätzen und Krieg. Entsprechende "Engagements" werden in der Medienberichterstattung positiv besetzt: der Bombenkrieg gegen die verbliebenen Teilrepubliken von Jugoslawien (Serbien und Montenegro) erscheinen als "humanitäre Intervention im Kosovo" nicht nur gerechtfertigt, sondern moralisch sogar geboten; nach der Abwicklung der NVA nicht etwa durch Abrüstung, sondern durch Waffenexporte (die BRD kam so auf Platz zwo in der Weltrangliste der Rüstungsexporteure) und Entlassungen (von ca. 100 000 NVA Soldaten wurden 15 000 übernommen, von denen sich heute gerade mal noch 6 000 im Dienst befinde(2)) nennt sich die Bundeswehr heute "Armee der Einheit"; Scharpings Bundeswehrreform rüstet die Bundeswehr zur weltweit einsetzbaren, hochtechnologisierten Elitekampftruppe auf, versucht sie jedoch als "modernes Instrument flexibler Interventionspolitik im multinationalen Zusammenhang" darzustellen; diese Ideologisierungen der gegenwärtigen Militarisierungstendenzen führen auch dazu, daß sich die Vertreter der Bundeswehr ("Soldaten sind Mörder" hieß es früher) mit gewachsenem Selbstvertrauen ihren Aufgaben stellen.

Uniformen in der Öffentlichkeit

Eine dieser Aufgaben ist immer schon das Tragen der Uniformen gewesen - nicht nur im militärischen Zusammenhang und hinter den Kasernenmauern, sondern zunehmend auch im zivilen Leben. Was für die Polizei schon immer gilt - das Tragen der Dienstuniform auch z.B. auf dem Weg von und zur Arbeit stärkt den Eindruck polizeilicher Präsenz und trägt damit zur Erfüllung etwa präventiver Aufgaben bei - scheint jetzt auch in Bundeswehrkreisen Schule zu machen. Immer häufiger begegnen uns an der Bushaltestelle, in der U-Bahn, im Interregio oder einfach auf der Straße zu Fuß, in anderen Autos usw. Uniformierte der Bundeswehr. Meist tragen sie diese schlecht sitzenden Tarnanzüge und ein lächerlich schief auf dem Schädel liegendes Käppi. Manchmal tragen sie Rucksäcke oder gar diese eigenartigen Wäscherollen mit Tragegurt mit sich herum. Gerade die Rucksackmodelle (eigentlich eher Buckelbeulen) verdeutlichen dem Bundeswehrbegriff von "Ausstattung mit modernstem Gerät". An dieser Stelle könnten wir uns jetzt wieder auslassen über die soziopolitischen Funktionen der Präsenz militärischer Symboliken in der Zivilgesellschaft, der institutionellen Reproduktion durch den unterschwelligen Transport von "corporate identity" usw. Tun wir heute aber nicht.3 Mir geht es im folgenden vielmehr um die schon angedeuteten ästhetischen Effekte, die optische Umweltverschmutzung durch Kampfuniformen und einige mögliche Maßnahmen dagegen.

Uniform als ästhetisches Problem

Zwei Vorbemerkungen: Eine ästhetische Kritik der BW bzw. ihrer uniformtragenden Vertreter in der Öffentlichkeit läuft Gefahr, von mindestens zwei Seiten als unzureichend angegriffen zu werden: Die Rüstungskritik wird die mangelnde empirische Basis - fehlende Daten und Fakten - bemängeln. Geschenkt. Aber um einen Problemaufriß mit Diskussionsgrundlage für eine Aktionsform zu entwickeln reicht zunächst ganz einfach die persönliche Empirie der eigenen Anschauung. Jeder beobachte seine Alltagsumwelt. In Berlin sehe ich in zunehmendem Maße Uniformen im Straßenbild. Die (ideologiekritische) Militärkritik hingegen könnte die fehlende politische Funktionsanalyse der Uniform in der Öffentlichkeit bemängeln(4) Beide Kritiken gehen jedoch an dem Aspekt der Sache vorbei, der in ästhetischer Perspektive interessiert.

Die Uniform wird zum Problem aus ästhetischer Perspektive durch die direkte sinnliche Wahrnehmung, Zumutung des Anblicks, der damit verbundenen Erfahrung, der persönlichen und unvermeidbaren Konfrontation mit der Zwangsinstitution Militär, die sich in diesem Moment in der Uniform vergegenständlicht. Ich muß mir ja auch nicht auf der Straße den Metzger in seinem Schlachterkittel anschauen, mit ihm zusammen in einen Bus steigen... Daß die Entwürdigung, Entmenschlichung, die in der militärischen Uniformierung stattfindet, sich nun sogar zunehmend in die Öffentlichkeit schiebt, halte ich für schlichtweg unerträglich.

Aktionsform Uniformverhöhnung

War ich zunächst erschrocken und konsterniert, so verschob sich nach und nach meine Reaktion auf Uniformträger im gleichen S-Bahnabteil etc. in Richtung "Verursacherprinzip". Es scheint mir mehr als angebracht, die Uniformträger in der Öffentlichkeit spüren zu lassen, wie fehl am Platze sie sind. Zugespitzt ließe sich fordern: Laßt uns eine Kampagne der Uniformenverschmähung lostreten! Die Uniformträger sollen merken, daß sie uns stören. Die einfachste und direkteste Art der Äußerung dieses Unwillens ist das Zeigen mit ausgestrecktem Arm und nacktem Zeigefinger auf den uniformierten Störer - verbunden mit Kopfschütteln oder falls man in der Gruppe unterwegs ist, mit dem gegenseitigen Hinweis auf die unangenehme uniformierte Erscheinung. Tut man es sich an und betrachtet die Uniformierten genauer, so lassen sich sogar diverse immer wiederkehrende Lächerlichkeiten entdecken: Vom schlechten Schnitt der Tarnanzüge über die geschorenen Köpfe unter den schief sitzenden Käppis bis hin zu den unfunktionellen Gepäckstücken, die oftmals gar das Ein- oder Aussteigen z.B. in den Bus zu einer Parodie militärisch schneidigen Auftrittes werden lassen. Hinzu kommt, daß eine ordentliche Uniformenverhöhnung auch von dem frustrierten Erlebnis der machtlosen Hinnahme der Militarisierung des Straßenbildes befreit. Je nach Stoßrichtung unseres Hohnes steht der Uniformträger als lächerliche Gestalt oder als armes Würstchen da, die Wirkung seiner Uniform wird ihm im Gedächtnis bleiben, er wird sie vielleicht weiterberichten und es sich beim nächsten Mal hoffentlich zweimal überlegen, ob er sich noch in der Kaserne umzieht oder erst zu Hause.

Uniformverhöhnung für Fortgeschrittene

Noch interessanter sind Kleingruppen von Uniformierten zu beobachten und zu verschmähen. Sie bieten die besten Ansatzpunkte, da sie in der Regel als Gruppe untereinander interagieren und im gleichen Maße nach außen hin scheinbar unaufmerksam sind. In Verbindung mit Alkohol zur Verkürzung längerer An- und Abreisewege zur Kaserne vor allem vor und nach Wochenenden bieten sich hier nicht nur die Lächerlichkeiten der Uniform oder die Armseligkeiten ihrer einzelnen Träger, sondern darüber hinaus die Peinlichkeiten polternder und pöbelnder Haufen. Allerdings sollte man sich in einer solchen durchaus attraktiven Situation über den Ausbildungshintergrund einer Soldatenbande im klaren sein und über genügend Selbstvertrauen bzw. eine solide Rückzugsstrategie verfügen, um den verschreckten Bissen der durch unseren Spott in die Enge Getriebenen ausweichen zu können. Die komplexeste und sicher anspruchsvollste Art der Uniformenverschmähung läßt sich auf eine direkte Kommunikationssituation mit dem Uniformträger ein. Hier findet die Verschmähung in ironisch gebrochener Form indirekt statt und kann durch ein pädagogisches ("Hören Sie mal, Herr ... was war doch gleich ihr Rang beim Militär?....") oder kameradschaftliches Herangehen ("Hör mal, der Kittel ist zwar echt cool, aber...") bemäntelt werden. Die Schwierigkeit liegt hierbei darin, die Ironie so zu formulieren, daß sie sogar der Uniformträger versteht: Also im Zweifelsfalle lieber zu direkt als zu sehr ironisiert. Er geht dann nach Hause und fühlt sich noch gelobt!

Abschlußbemerkung

Auf den ersten Blick scheint der Aufruf zur Uniformenverschmähung einen Aufruf zur öffentlichen Entwürdigung der Menschen zu enthalten, die - aus welchen Gründen auch immer - in Uniform auf der Straße auftauchen. Nicht weniger als das genaue Gegenteil ist jedoch das Anliegen der Aktion. Der Mensch gibt seine Würde als Mensch und Individuum, als politische Wesen und als selbstverantwortlicher und daher auch in Ehren zu haltender Teil der Gesellschaft in dem Moment ab, in dem er sich die Uniform anzieht bzw. sie verpaßt bekommt. Er unterwirft sich dem besonderen Gewaltverhältnis der institutionalisierten Gewalt, unterzieht sich einer Ausbildung zum Töten und Getötetwerden auf Befehl durch in der militärischen Hierarchie Höherstehender. Durch die Rituale der Ausbildung und des militärischen Alltags werden sie zu Objekten gemacht. In ihrer Uniform stellen sie das entindividualisierte, entmenschlichte "Menschenmaterial" dar, das die Politik als Instrument betrachtet und als ihre "ultima ratio" bezeichnet. Die Gründe der einzelnen für den Militärdienst mögen vielfältig sein, aber glücklicherweise ist keiner unausweichlich gezwungen, in die Uniform zu steigen - schon gar nicht in der Öffentlichkeit und außerhalb ihrer Dienstzeiten und Einsätze. Tauchen sie jedoch sogar dort in ihren Uniformen auf, dann haben wir die einmalige Gelegenheit über die Uniformverhöhnung vielleicht einen Selbstreflexionsprozeß in Gang zu bringen, der sie aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit befreien kann.

Anmerkungen:  
(1) Vgl. zuletzt: Tile von Damm: Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr, ami 8-9/00, 64
 
(2) junge welt, 11.10.00
 
(3) vgl. statt dessen
http://www.militaerrituale.de  
(4) Sie sei mit einem Literaturtip vertröstet: Krippendorff, E.: Uniform und Unmenschlichkeit; in: Militärkritik, Frankfurt/M. 1994, 133ff.
 

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