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Ausgabe 3/00   Seite 42ff

Im Heft 1 dieses Jahres ist ein Beitrag mit dem Titel "Deutsche Stiftung für Friedensforschung - Gründung mit Tücken" abgedruckt. Dass über die neue Förderung, sowie die Gründung der Deutschen Stiftung Friedensforschung detailliert berichtet wird, ist zunächst sehr zu begrüßen. Der Artikel enthält aber eine Reihe überholter, falscher oder missverständlicher Aussagen sowie Bewertungen, die dringend einer Korrektur bedürfen. Dies gilt im Besonderen (aber nicht nur) für die Passagen zur naturwissenschaftlichen Friedensforschung.
 

Götz Neuneck

Leserbrief

Liebe ami-Redaktion!

Im Namen des Forschungsverbundes Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS), der einige Forschungsgruppen vertritt, die im Rahmen der ersten Maßnahmen im Jahr 2000 gefördert werden, erkläre ich folgendes:
  1. Es ist erfreulich zu hören, "[n]aturwissenschaftliches Know-How für die Friedensforschung zu mobilisieren, scheint zunächst sinnvoll" (S. 36). Dies ist allerdings die einzige positive Aussage der betreffenden Passagen. Kenntnis über die von NaturwissenschaftlerInnen aufgebaute naturwissenschaftlich orientierte Friedens- und Konfliktforschung der letzten Jahre hat die ami wohl nicht. Der Autor (eus) hat sich zudem nicht im entferntesten die Mühe gemacht, die von ihm zitierten (teilweise nicht mehr aktuellen) Dokumente und dort aufgelisteten Projekten auf ihre Aktualität hin zu überprüfen, ihren Forschungsansatz zu verstehen oder gar einmal bei den ProjektbearbeiterInnen nachzufragen.
  2. Der nächste Satz stellt u.a. die Frage: "Doch wie fließend dürfen die Grenzen sein zwischen rüstungstechnischer und friedenswissenschaftlicher Forschung. Auch in der Wissenschaft gibt es ein "Dual-Use"-Problem." Ich empfehle dazu beispielsweise folgende Sammelbände, die genau dieses Problem von allen Seiten beleuchten und erste friedenspolitische Antworten geben und konkrete Maßnahmen aufzeigen:
Eine Liste von Aufsätzen einiger FONAS-Mitglieder (u.a. von den Projektbearbeitern: Altmann, Liebert, Neuneck, Scheffran), die ständig und seit langem das Dual-Use-Problem in Wissenschaft, Forschung und Rüstungsindustrie behandeln, liegt dem Schreiben bei. Eine genauere Lektüre wird Euch zeigen, dass unsere Arbeiten seit Jahren den angesprochenen Themenkomplex im Detail wie im Allgemeinen behandeln. Insbesondere wenden sich einige von uns gegen die zunehmend fließender werdenden Grenzen zwischen ziviler und militärischer Forschung. Konkret haben wir das Konzept der "präventiven Rüstungskontrolle und Abrüstung" ausgearbeitet, welches rüstungsbeschränkende Maßnahmen international wie national einführen soll.

3. Gefragt wird weiterhin nach der "friedenspolitischen Relevanz" des "Projektverbundes Waffentechnik" (S.36). Der Projektverbund heißt aber Projektverbund "Präventive Rüstungskontrolle", was ziemlich genau das Gegenteil davon ist. Um einen Überblick darüber zu geben, habe ich eine Beschreibung der Projekte angefügt.

4. Die Verifikationsprojekte, die auf Seite 36 aufgelistet sind, sind zwar nicht Bestandteil des Projektverbundes, arbeiten aber mit ihm zusammen und haben ebenfalls eine friedenspolitische Ausrichtung. Verifikation ist ein wichtiger Bestandteil internationaler Rüstungskontrollabkommen. Es gibt bei einem Projekt in der Tat eine Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich (das nicht mehr "Kernforschungszentrum") heißt. Die Projektgruppe Technikfolgenabschätzung hat eine langjährige Tradition bei der Unterstützung der IAEO durch Studien zu Überwachungstechniken. Es geht hier aber um öffentlich zugängliche Verifikation von Rüstung nicht um Militärtechnik. Der ami-Mitherausgeber Oliver Meier, der in Großbritannien an ähnlichen Projekten arbeitet, kann mehr zum Stand der Verifikationsforschung sagen.

5. Aus der (inkompetenten und verdrehenden) Schilderung der naturwissenschaftlichen Anteile folgert der Autor auf S. 40 nun: "In der Förderpraxis zeigt sich diese Orientierung (gemeint ist Abkehr der radikal-pazifistischen Position bzw. von der Absage an die ultima ratio des Militäreinsatzes, GN) bereits heute in der Häufigkeit waffentechnisch orientierter Projekte. So ist ein ganzer Projektverbund zu Biowaffen, Raketenabwehr, EM-Waffen, Laser, Mikro- und Nanosystemtechnik in Vorbereitung." (S. 40) Tatsächlich geht es bei den Projekten um die Biowaffen-Konvention, den Raketenabwehr begrenzenden ABM-Vertrag und die Möglichkeiten, EM-Waffen, Laser und neue Kleinstwaffen und deren F+E zu beschränken oder ganz zu verbieten und eine Einführung erst gar nicht zuzulassen, wie Euch ein Blick in die Projektbeschreibung zeigt. Dies ist auch der Sinn präventiver Rüstungskontrolle. Die im Artikel erwähnte Argumentation ist absurd und verfälscht den Gehalt der Projekte komplett.(1)

6. Mir sei noch ein Wort zu den persönlichen Anwürfen gestattet, die sich aus dem Artikel ergeben. Jeder meiner Kolleginnen und Kollegen hat durch seine Arbeit viele Jahre und Karrieremöglichkeiten der naturwissenschaftlichen Friedensforschung "gewidmet". Wollte irgend jemand von uns für "Waffentechnik" forschen, wäre dies sicher an anderen Orten (z.B. DASA) einfacher, finanziell gut abgesichert und erfolgreicher möglich. Stattdessen haben sich viele Kollegen und Kolleginnen mit schlecht bis gar nicht geförderten Projekten jahrelang mit Thematiken beschäftigt, die für Abrüstung und Frieden hochrelevant sind, die die Sozialwissenschaft in ihrer methodischen Durchdringung jedoch meidet. Das beiliegende Forschungsmemorandum gibt Euch vielleicht einen Hinweis auf die Schwierigkeiten unserer Arbeit. Es verbalisiert die Notwendigkeit und Hoffnung, dass naturwissenschaftlich orientierte Friedensforschung in Deutschland in Zukunft gefördert wird.

7. Die vom BMBF verfügten "prioritären ersten Maßnahmen" (PEM) für die seit Jahren nicht vom Bund geförderte (natur- wie gesellschafts-) wissenschaftliche Friedensforschung halten wir dementsprechend für vollauf gerechtfertigt und seit langem überfällig. Immer wieder haben wir uns mit Themen wie SDI, der nuklearen Abrüstung, der Verifikation, der konventionellen Rüstungskontrolle beschäftigt und auf die damit verbundenen Gefahren aufmerksam gemacht. Leider hat das BMBF - um der DSF nicht vorzugreifen - den Projektzeitraum der beantragten Projekte von zwei auf ein Jahr gekürzt und einige Projekte, die bei Euch noch aufgelistet sind, nicht bewilligt, so dass man hier nur von vorläufig ersten PEM sprechen kann.(2)

Wir erwarten nach eingehender Lektüre der beigefügten Unterlagen zumindest eine Entschuldigung für die Verdrehungen und falschen Darstellungen. Unsere Darstellung sollte auf den ami-WWW-Seiten veröffentlicht werden. Natürlich sind wir stets zu einem Gespräch oder weiteren Informationen bereit. Offensichtlich gibt es auf Eurer Seite große Wissensdefizite und Verständnisschwierigkeiten bezüglich naturwissenschaftlich orientierter Friedens- und Konfliktforschung. Ich hoffe, dieses Schreiben dient der Aufklärung und dem Dialog.

Mit freundlichen Grüßen

Götz Neuneck Vorsitzender des FONAS Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit

Hamburg, den 12.03.00

P.S. Auf Seite 34-35 wird (das FONAS-Mitglied) Wolfgang Liebert erwähnt, der sowohl ein Initiativgutachten beigesteuert hat als auch Mitglied/Vertreter von FONAS und IANUS bei der Struktur- und Findungskommission für die Deutsche Stiftung Friedensforschung ist (was übrigens auch für Ulrich Albrecht mutatis mutandis für die AFK gilt; dieser hat ebenfalls ein Gutachten beigesteuert und ist Mitglied). Ausgerechnet W. Liebert als Beispiel für "Friedensforschungsfilz" herbeizuzitieren, ist nun wirklich unerhört; zumal auch noch unterstellt wird, daß er "sicher aus diesem Gremium heraus keine Projektförderung für seine Uni verhindert." Die IANUS-Gruppe, die er vertritt, hat soeben den "Göttinger Friedenspreis" schließlich nicht ohne Grund bekommen. W. Liebert und IANUS haben nicht nur wichtige Beiträge zur Abschaffung von Nuklearwaffen (präventive Rüstungskontrolle, Abolition 2000, Nuklearwaffenkonvention etc.) geliefert, sondern beispielsweise auch erfolgreiche Arbeit in Bezug auf den FRM-II Reaktor in Garching und das nukleare Proliferationsrisiko geleistet. Bei mir verdichtet sich der Eindruck, daß der Autor des Beitrages einfach nicht weiß, worüber er schreibt bzw. sich erst gar nicht die Mühe macht, dies nachzuprüfen. Auch drängt sich angesichts der ständig falschen Wiederholungen der Verdacht auf, das noch andere Interessen und Frustrationen im Spiel sind. Im übrigen ist noch zu bemerken, dass einige Projekte, die vom BMBF (S. 37) aufgelistet sind, überhaupt nicht genehmigt wurden. Auch die DLR, die lediglich für die Fragen der formalen Projektbeantragung und -abwicklung verantwortlich ist und für eine Reihe anderer Förderbereiche des BMBF den Projektträger bildet, in einen inhaltlichen Zusammenhang mit unserer Arbeit zu bringen, ist Unsinn.

Götz Neuneck
c/o Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)
Falkenstein 1
22587 Hamburg

Anmerkungen:
(1) Es wäre genauso, wenn man behaupten würde, die ami-Herausgeber Oliver Meier und Ralf Bendrath arbeiten für Spionage (statt zu Verifikation) und Informationskrieg (statt Netzsicherheit). (Oliver Meier und Ralf Bendrath sind seit mehreren Jahren keine ami-Redakteure mehr, die Redaktion.)
(2) Wir hoffen, dass die DSF für weitere Förderung offen ist.
 

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