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Ausgabe 1/01 Seite 33ff |
Die konservative Regierung stellte am
6. Dezember 2000 unter John Howard(2)
ein neues Weißbuch vor. Kernstücke von "Defence 2000 - Our Future
Defence Force" sind die geplante Erhöhung des Verteidigungsbudgets
um je 3% in den nächsten 10 Jahren sowie direkte Finanzspritzen von
1,5 Milliarden AUS$ innerhalb der folgenden 3 Jahre.(3)Gleichzeitig
wird die australische Armee für Interventionen fit gemacht: "Verteidigung"
beginnt auch in Australien weit vor der eigenen Küste.
Australien war bisher eines der wenigen
Länder mit einer tatsächlichen Friedensdividende:
Lagen die Verteidigungsausgaben vor 15
Jahren zu Zeiten des Ost-West-Konfliktes bei 2,9% des Bruttosozialproduktes
(BSP), so wurden 2000 lediglich 1,8% des BSPs dafür verwendet, was
allerdings immerhin noch 12,2 Milliarden AUS$ entspricht. Auch der Umfang
der Armee sank von 70.000 Soldatinnen und Soldaten 1985 auf eine Berufsarmee
von 51.500 heute - mit einer stehenden Armee von ungefähr 24.000 SoldatInnen.
Im neuen Weißbuch, das letzte war 1994 veröffentlicht worden, werden nun die Weichen für die Umsetzung der neuen Militärdoktrin Australiens für die nächsten 10 Jahren gestellt. Die Devise heißt auch hier: größer, schneller, weiter.
In den letzten Wochen vor der Veröffentlichung des Weißbuches zeigte sich ein scharfer Konflikt innerhalb der Regierung, der, dank undichter Stellen im nationalen Sicherheitsrat, auch in die Öffentlichkeit gelangte. Kontrovers diskutiert wurde dabei, welchem Teil der Streitkräfte die Budgeterhöhung maßgeblich zu Gute kommen sollte, ob neue High-Tech-Waffensysteme für Marine oder Navy angeschafft werden sollten, oder ob es eher die Landstreitkräfte bekommen sollten. Den Zuschlag bekamen die Bodentruppen, deren Entwicklung in Zukunft auf kurzfristige Militärinterventionen in Australiens Einflußgebieten ausgerichtet werden wird.(13) Die Landstreitkräfte erhalten einen Zuschuß von 5 MilliardenAUS$ in den nächsten 10 Jahren, die es der Regierung ermöglichen werden, zwei Operationen gleichzeitig durchzuführen und Truppen in Alarmbereitschaft zu halten, so daß auch kurzfristige Operationen möglich werden. Am bedeutsamsten ist auch hier nicht die Erhöhung des Budgets oder die Anzahl der SoldatInnen, sondern vielmehr die Umstrukturierung der Armee von einer großen Landesverteidigungsarmee zu kleineren, mobilen Eingreiftruppen. Aber auch Luftwaffe und Marine gehen nicht leer aus: Alte F/A 18 Hornet-Fighters sowie F-111 Langstreckenbomber werden teilweise aufgewertet, zum Teil ersetzt, vier Airborne Early Warning and Control Flugzeuge (AWACS) sowie Aufklärungs- und Transporthubschrauber neu angeschafft. Die Beschaffung von U-Booten der Collins-Klasse gilt als vordringlich, zudem werden mindestens drei Zerstörer gekauft.(14)
Eine große innenpolitisch Koalition von Gewerkschaften, Kirchen, der Democratic Socialist Party und Osttimoresischer Führung legitimierte im Herbst 1999 die Forderung der bis dahin pro-indonesischen australischen Regierung, Friedenstruppen nach Ost-Timor zu entsenden und den Menschenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten. Für die Führung der Mission erntete die australische Regierung nationale und internationale Lorbeeren. Tatsächlich verfolgt Australien aber noch ganz andere Interessen in Ost-Timor als Menschenleben zu schützen: Während die Weltgemeinschaft immer wieder die Besetzung Ost-Timors in Resolutionen verurteilte, schloß Australien 1989 den Timor Gap Treaty mit Indonesien, in dem als Gegenleistung für die Anerkennung der Annexion die Grenzziehung zwischen Ost-Timor und Indonesien so erfolgte, daß Australien einen Großteil der Öl- und Gasreserven im Ozean zwischen Ost-Timor und Australien erhielt. Die Grenzen wurden nicht, wie nach internationalem Recht üblich, in der geographischen Mitte zwischen Australien und Ost-Timor gezogen, sondern sehr nahe an die osttimoresische Küste verlegt.(17) Diese Grenzziehung geriet unter Kritik der UN-Verwaltung, so daß im Oktober 2000 Gespräche mit dem Ziel der Neuordnung der Grenzen zwischen der australischen Regierung und UNTAET begonnen haben. Im Zuge der Gespräche schlug der australische Außenminister Downer vor, die Anteile Ost-Timors an den Öl- und Gasvorkommen direkt mit der von Australien erhaltenen humanitären Hilfe zu verrechnen und drohte auch offen mit der Minderung der Hilfeleistungen, sollte UNTAET auf einen Rechtsstreit bestehen.(18)
Auf der anderen Seite spielt sich Australien schon seit 1987 als Schutzmacht kleiner pazifischer Inselstaaten auf. So versorgt Canberra 11 Pazifische Staaten im Rahmen des Pacific Patrol Programmes mit Geheimdienstinformationen und Patrouillenbooten und trainiert die Crews. Dieses Programm wurde anläßlich des jährlichen Treffen des Pacific Islands Forum(19) im Oktober 2000 auf 25 Jahre verlängert. Der Preis, den die Inselstaaten dafür zahlen müssen, ist allerdings hoch: Australien und Neuseeland preßten die Biketawa Deklaration durch, die beiden Regionalmächten über das Forum Einmischung in die internen Angelegenheiten der Staaten gewährt und in Zukunft militärische Interventionen erleichtern kann: So verpflichten sich die Mitglieder des Forums in der Deklaration auf offen formulierte Richtlinien wie "Good Governance". Im Falle eines interpretierten Verstosses durch einen der Mitgliedsstaaten kann das Forum tätig werden, bis hin zu Militärintervention. Die letzten drei Jahre war Premier Howard dem Treffen ferngeblieben, erst um die 30jährige Tradition der Nichteinmischung des Forums umzustürzen und Australien bei künftigen Interventionen durch die diplomatische Legitimation des Forums und der daran beteiligten Staaten, die militärisch und wirtschaftlich abhängig sind, abzusichern. In einem Editorial der Tageszeitung "The Australian" wurde die Deklaration begrüßt als "Lizenz", die es ermögliche, moralischen, politischen und wirtschaftlichen Druck gegen irrende Nationen auszuüben.(20)
Verteidigungsminister John Moore stellte zwar anläßlich der neuen Militärdoktrin explizit fest, Australien suche nicht die Rolle des Vizesheriffs der Region , sondern wolle lediglich "eine verantwortliche Rolle in seiner Einflußsphäre spielen".(21) Das Weißbuch und die von Australien initiierte Biktawa-Deklaration sprechen aber eine andere Sprache: Verteidigung australischer Interessen wird in Zukunft über militärische Interventionen stattfinden.
Auch Australien hat sein Kosovo, nur heißt es hier Ost-Timor. Die Intervention in Ost-Timor von September 1999 bis Januar 2000, an der 5.500 australische SoldatInnen teilnahmen, band mehr als die Hälfte der Bodentruppen, einen Großteil der Navy und der Transportkapazitäten der Luftwaffe, obwohl es keine große militärische Operation war. Auch führte der Einsatz die Veralterung der Ausrüstung vor Augen. Ohne die bereitwillig gewährte Hilfe von Seiten der Vereinigten Staaten und Japans hätte Australien die Operation nicht anführen können. Auch hier gab es im Juli 2000 einen Besuch von US-Verteidigungsminister Cohen, der die australische Regierung dazu aufforderte, die Militärausgaben zu erhöhen und die australischen Streitkräfte fit zu machen für künftige gemeinsame amerikanisch-australische Einsätze im asiatisch- pazifischen Raum.(24) Gleichzeitig ist die australische Elite, genau wie die europäischen, nicht zufrieden mit der militärischen Abhängigkeit von den USA und hat eigene Interessen in der Region, die sich von US-amerikanischen durchaus unterscheiden, daher auch die breite Kritik der australischen Medien am Weißbuch, die Steigerung des Budgets sei nicht hoch genug.(25) Als Lehre aus dem Vietnamkrieg(26) hatte sich trotz australischer Beteiligung an UN-Peacekeepingeinsätzen und auch am Golfkrieg eine sehr kritische Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber Auslandsmilitärinterventionen gehalten. Erst der Einsatz in Ost-Timor und die sich global durchsetzende Menschenrechtsrhetorik führten zu einem Wandel der Öffentlichkeit hin zu Befürwortung von Interventionen. Man darf gespannt sein, es bietet sich eine große Spielwiese für Australien: Zusammenbruch des Regimes in Indonesien, Putschversuch in Fidji, Bürgerkrieg auf den Solomon Islands, Sezession Ost-Timors und weitere Abspaltungsbestrebungen in Indonesien und Papa Neuguinea, von Verteidigungsminister Moore zusammengefaßt als "sea of instability", bedrohen nicht zuletzt australische Firmen, die substantielle Investitionen in Indonesien und im Südwestpazifik zu verlieren haben, also auch daher Interesse an militärischen Interventionen, die den Einfluß Australiens in der Region, und - wie im Fall des Ost-Timor-Einsatzes - das Ansehen in der Weltgemeinschaft noch vergrößern.
Eine wachsende Unsicherheit wird in der gesamtasiatischen Region festgestellt, der Konflikt Taiwan/China, die Situation in Indonesien, Papa Neuguinea und die Koreanische Halbinsel werden als Faktoren dafür angeführt. Das hält die australische Regierung jedoch nicht davon ab, die amerikanischen Pläne einer Nationalen Raketenabwehr (NMD) zu stützen, die von China ganz klar als Bedrohung und als Grund für ein Aufrüsten wahrgenommen werden. Teil von NMD wäre nicht zuletzt die Pine Gap Radaranlage in der Nähe von Alice Springs, die die USA und Australien gemeinsam betreiben. Diese Radaranlage würde benötigt, um Langstreckenraketen aus Asien oder dem Nahen Osten zu entdecken, so sie abgefeuert würden.(27)
Von präventiver Politik ist übrigens
im gesamten Weißbuch nur einmal die Rede: Australien würde es
begrüßen, wenn das ASEAN Regional Forum eine größere
Rolle für die Sicherheit der Region spielte, und dazu auch Mittel
präventiver Politik benutzte.
Der Bevölkerung wird suggeriert, sie lebe in unsicheren Zeiten. Dieser Unsicherheit könne nur durch eine Erhöhung der Ausgaben für das Militär und durch verstärkte Interventionen in der Region begegnet werden. Vielleicht wird aber gerade das australische Aufrüsten zum Startschuß für den viel beschworenen Rüstungswettlauf in Asien.sw
Anmerkungen:
(1) "A cautious document of a friendly
country", so nannte Premierminister Howard das neue Weißbuch, Sydney
Morning Herald (SMH), 7.12.00.
(2) Staatsoberhaupt des Commonwealth of
Australia ist die britische Königin Elizabeth II. Seit 1996 regiert
eine Koalition der Liberal Party und der National Party unter Premierminister
John Winston Howard. Die nächsten Wahlen finden im Oktober 2001 statt.
(3) Ein australischer Dollar entspricht
ungefähr 1,20 DM.
(4) CIA Factbook 2000, http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/geos/a.shtml.
(5) Defence 2000 Our Future Defence Forces,
3.37 "Australia today is a secure country... A full scale invasion of Australia,
aimed at the seizure of our country and the erasure or subjugation of our
national polity is the least likely military contingency Australia might
face. No country has either the intent or the ability to undertake such
a massive task." http://www.defence.gov.au.
(6) Tatsächlich ist diese Verpflichtung
weder für die Howard-Regierung noch für nachfolgende Regierungen
rechtlich verbindlich, wie die Australian Defence Association besorgt zu
bedenken gibt: " Catch-up spending no sure thing" http://www.ada.asa.au.
(7) "Weekend Warriors to be closer to
action" Sydney Morning Herald (SMH), 07/12/00
(8) Defence 2000, 7.63 "The Government's
vision for the Australian Services Cadet Scheme is to provide opportunities
for all young Australians to obtain comprehensive personal challenges and
growth, enhanced self-esteem and self-discipline, and adventurous enjoyment
in a military setting"
(9) "Young turks get a shot in the arm"
SMH 07/12/00
(10) Defence 2000, 6.9 "... We would therefore
seek to attack hostile forces as far from our shores as possible, including
in their home base, forward operating bases and in transit. We would aim
to seize the initiative and dictate the pace, location and intensity of
operations"
(11) Auch "Navy Questions and Answers"
kann den verdacht nicht ausräumen, daß hier altes in einer neuen
rhetorische Hülle verpackt wird "Q. Is the White Paper a return to
forward defence? A. No. Australia's number one strategic priority is to
prevent or defeat an armed attack on Australia. This means we must be able
to protect our direct maritime approaches from intrusion by hostile forces."http://WWW.NAVY.GOV.AU/whitepaper/whitepaper3.html.
(12) Defence 2000, 8.69.
(13) Defence 2000, 8.11. "The development
of our land forces will take fuller account of the demands of possible
short-notice operations in our immediate neighbourhood".
(14) Defence 2000, Kapitel 8 " Defence
capability plan".
(15) Jungle World 29.9.00 Der UN-Sicherheitsrat
genehmigte am 15. September 1999 die Entsendung einer internationalen Eingreiftruppe
für Ost-Timor (Interfet), deren Kommando erstmalig von Australien
übernommen wurde. Die multinationale Eingreiftruppe sollte den Frieden
wieder herstellen und Soforthilfe leisten. Die Stationierung 8.000 Mann
starken Truppe begann Ende September 1999 und bestand aus Kontingenten
aus Australien, Neuseeland, Thailand, Singapur, Malaysia, und den Philippinen.
Großbritannien, Frankreich, Kanada Irland und die USA, Brasilien
und Italien waren ebenfalls in kleinerem Umfang mit von der Partie, genauso
wie die BRD mit ihren 100 Sanitätssoldaten Am 25. Oktober 1999 verabschiedete
der Sicherheitsrat eine Resolution, die eine Übergangsverwaltung für
Ost-Timor - die Untaet - für eine Anfangsphase bis zum Januar 2001
einsetzte. Auch hier sind die Australier maßgeblich beteiligt. Die
Mission soll das Land langfristig stabilisieren. Vgl. ami 12/99, S. 35
ff, ami 10/99, S.57 ff.
(16) " A cautious Pacific Giant" IHT 13.6.00.
(17) Diese Politik der Grenzziehung hatte
Tradition zwischen Australien und dem Suharto-Regime, welches die diplomatische,
wirtschaftliche und militärische Unterstützung durch Australien
höher bewertete als Rechte an unerschlossenen, bzw. vermuteten Öl-
bzw. Gasvorkommen. Vgl. Mike Head, "Timor Gap dispute highlights motives
behind Australian intervention" http://wsw.org/articles/2000/oct2000/tim-o25_prns.html
(18) ibid.
(19) Mitgliedsstaaten sind Australien,
Neuseeland, Cook Islands, Indonesien, Mikronesien, Fiji, Kiribati, Niue,
Palau, Marshall Inseln, Samoa, Tonga, Tuvalu, Vanuatu, Nauru, Papa Neuguinea,
Solomon Islands.
(20)"licence to impose moral as well as
trade or political leverage against errant nations" in "Australia and New
Zealand bully island states into accepting regional intervention", Will
Marshall, 22. November, http://www.wsw.org/articles/2000/pif-n22_prn.shtml.
(21) A Package perfectly pitched to woo
voters SMH, 07/12/00.
(22) Dies gilt wohl nur für die Übernahme
von Peacekeepingaufgaben, für die Asylpolitik und die Behandlung der
Urbevölkerung erntete Australien im Herbst letzten Jahres harsche
Kritik von Seiten der UNO, gegen die sich die Regierung scharf verwehrte.
Vgl. ami 10/00, S.15 ff.
(23) Defence 2000, 4.8 "We would be concerned
about major internal challenges that threatened the stability and cohesion
of any of these countries. We would also be concerned about any threat
of outside aggression against them".
(24) Die enge Bindung an die Vereinigten
Staaten, - laut John Howard so eng wie sie zwischen zwei Staaten nur sein
mögen, erklärt sich einerseits aus dem Verteidigungspakt zwischen
den USA, Australien und Neuseeland ( die Mitgliedschaft Neuseelands ist
seitdem sie 1986 US-Atombooten den Zugang zu ihren Häfen verwehrten,
suspendiert) ANZUS, der in diesem Jahr 50. Geburtstag feiert. Andereseit
bestehet eine enge Rüstungskooperatoin zwischen Australien und den
USA, sprich, Australien kauft amerikanisch.
(25) " Australian Government unveils new
interventionist military doctrine" Mike Head, 16 december 2000, http://www.wsws.org/articles/2000/dec2000/mili-d16_prn.shtml
(26) Zwischen 1962 und 1972 waren insgesamt
über 50 000 Mitglieder der australischen Streitkräfte in Vietnam
stationiert .
(27) Missile Shield stirs up Dissent in
Australia, IHT 19.07.00
(28) Die Beteiligung war, laut community
consultation report, wie folgt: Web site hits :179,745 Web site visits:
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17,935 Australian Perspectives on Defence: Report of the Community Consultation
Team, September 2000, S.8. http://www.defence.gov.au.
(29) Ibid, S.6.
(30) Ibid S.8 "Of course, we received
a wide range of opinions. They ranged from views that all Australians should
be armed, that the Defence Force should be equipped with nuclear weapons,
to those who were opposed to maintaining any military force.".
(31) Vgl. Parlamentsdebatte am 6.Dezember
anläßlich der Veröffentlichung des Weißbuches: http://www.aph.gov.au.
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