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Ausgabe 1/01   Seite 33ff

Die konservative Regierung stellte am 6. Dezember 2000 unter John Howard(2) ein neues Weißbuch vor. Kernstücke von "Defence 2000 - Our Future Defence Force" sind die geplante Erhöhung des Verteidigungsbudgets um je 3% in den nächsten 10 Jahren sowie direkte Finanzspritzen von 1,5 Milliarden AUS$ innerhalb der folgenden 3 Jahre.(3)Gleichzeitig wird die australische Armee für Interventionen fit gemacht: "Verteidigung" beginnt auch in Australien weit vor der eigenen Küste.
 

Australien rüstet auf

"Ein vorsichtiges Dokument eines freundlichen Landes..."(1)

 

Größte Budgeterhöhung seit 20 Jahren

Australien ist immer noch bekannt als der Kontinent, auf dem nie ein Krieg herrschte (abgesehen vom Genozid an der Urbevölkerung). Dies ist nicht zuletzt auf die geographische Lage zurückzuführen. Australien als kleinster Kontinent aber sechst größtes Land mit einer Bevölkerung von ca. 20 Millionen Menschen hat eine Küstenlinie von über 25.000 km, aber keine Landgrenzen.(4) Im neuen Weißbuch wird - wie auch in den Verteidigungsstrategien anderer Industrienationen - anerkannt, daß ein Angriff auf das nationale Territorium höchst unwahrscheinlich ist.(5) Dennoch verpflichtet sich die australische Regierung, in der nächsten Dekade insgesamt 23,5 Milliarden AUS$ mehr für das Militär auszugeben als bisher, gedeckt von einem breiten gesellschaftlichen Konsens.(6) Gleichzeitig bereitet die neue Militärdoktrin den Weg für weitere Interventionen in der Region.

Australien war bisher eines der wenigen Länder mit einer tatsächlichen Friedensdividende:
Lagen die Verteidigungsausgaben vor 15 Jahren zu Zeiten des Ost-West-Konfliktes bei 2,9% des Bruttosozialproduktes (BSP), so wurden 2000 lediglich 1,8% des BSPs dafür verwendet, was allerdings immerhin noch 12,2 Milliarden AUS$ entspricht. Auch der Umfang der Armee sank von 70.000 Soldatinnen und Soldaten 1985 auf eine Berufsarmee von 51.500 heute - mit einer stehenden Armee von ungefähr 24.000 SoldatInnen.

Im neuen Weißbuch, das letzte war 1994 veröffentlicht worden, werden nun die Weichen für die Umsetzung der neuen Militärdoktrin Australiens für die nächsten 10 Jahren gestellt. Die Devise heißt auch hier: größer, schneller, weiter.

Umfang der Streitkräfte

Der Umfang der Armee wird um 2.500 auf 54.000 SoldatInnen zunehmen. Darin enthalten sind ReservistInnen, die momentan 42% der Armee ausmachen, und die neben BerufssoldatInnen auch an Operationen in Ost-Timor und Malaysia beteiligt waren. Die Teilnahme und das Training von ReservistInnen sollen durch neue Gesetzgebung ausgeweitet werden, denn auch Australien hat Probleme mit der Rekrutierung: So blieb im letzen Jahr die Zahl der Neuverpflichtungen um 25% hinter dem gesteckten Soll zurück.(7) Wie auch in Deutschland soll daher der Dienst an der Waffe attraktiver gestaltet werden. Neben der Verbesserung von Ausbildungs-, Besoldungs- und Karrieremöglichkeiten bedient sich die australische Regierung jedoch noch eines anderen Mittels: Allen jungen AustralierInnen wird in Zukunft "persönliche Herausforderungen und das Erlernen von Selbstdisziplin sowie Abenteuer und Spaß in einer militärischen Umgebung"(8) geboten werden. Dies soll durch eine Ausweitung des Kadettenprogramms in Schulen und Kommunen und durch dessen Förderung um 30 Millionen AUS$ gewährleistet werden. Bisher gibt es 25.000 Kadetten in 417 Einheiten. Während des Vietnamkrieges bestand die Kadettenausbildung aus dem Erlernen des Umgangs mit Waffen und aus "Mock battles". Heute geht es mehr um Bushwalking und Erste Hilfe, dennoch in einem hierarchisierten militärischen Zusammenhang, der der Armee schon frühzeitig Zugriff auf Jugendliche gewährt. Diese Militarisierung von Schulen wird jedoch nicht einheitlich befürwortet, so gibt es einige Lehrer, die vor der Entwicklung einer militaristischen Ethik warnen und darauf hinweisen, daß das Geld wesentlich sinnvoller verwendet werden könnte.(9)

"Proaktive Verteidigung"

Verteidigung des Territoriums soll laut Weißbuch weiterhin wichtigste Aufgabe der australischen Streitkräfte sein. Dabei werden drei Dimensionen unterschieden: Australien soll in der Lage sein, das Staatsterritorium eigenständig und ohne Unterstützung durch andere Länder verteidigen zu können. Zweitens müssen die australischen Streitkräfte die Luft- und Seezugänge zum Land kontrollieren können. Drittens sollen feindliche Truppen so weit weg wie möglich von den heimischen Küsten bekämpft werden, in sogenannten "proaktiven" Operationen(10), die auf fatale Weise an die aus Zeiten des Kalten Krieges stammende Doktrin der Vorwärtsverteidigung erinnern.(11) Das neue Weißbuch widmet der Weiterentwicklung dieser Angriffskapazitäten wesentlich mehr Platz als vorherige Verteidigungsplanungen. Besonders der Kampfwert der F-111 Aardvark-Bomber (in den 60er Jahren mit einer Reichweite bis Indonesien angeschafft) soll gesteigert werden, um Angriffe auf weiter entfernte und hochgeschützte Ziele zu ermöglichen. Aber auch F/A-18 Hornetkampfflugzeuge, P3C Orion Seeüberwachungsflugzeuge, Schiffe und U-Boote (Collins-Klasse) können "proaktive" Verteidigung betreiben. Diese Angriffskapazitäten werden im neuen Weißbuch auch in den Kontext von Interventionen gestellt: "Strike forces can provide excellent support to Australian troops deployed abroad, and may also offer a valuable option for contributing to regional coalitionen"(12) Da ein Angriff auf Australien als höchst unwahrscheinlich angesehen wird, liegt hier die eigentliche Bedeutung der Verbesserung der Fähigkeiten zur "proaktiven" Verteidigung. Dies ist dann allerdings keine mit was auch immer für Adjektiven belegte Verteidigung sondern Angriffskrieg von Seiten Australiens!

In den letzten Wochen vor der Veröffentlichung des Weißbuches zeigte sich ein scharfer Konflikt innerhalb der Regierung, der, dank undichter Stellen im nationalen Sicherheitsrat, auch in die Öffentlichkeit gelangte. Kontrovers diskutiert wurde dabei, welchem Teil der Streitkräfte die Budgeterhöhung maßgeblich zu Gute kommen sollte, ob neue High-Tech-Waffensysteme für Marine oder Navy angeschafft werden sollten, oder ob es eher die Landstreitkräfte bekommen sollten. Den Zuschlag bekamen die Bodentruppen, deren Entwicklung in Zukunft auf kurzfristige Militärinterventionen in Australiens Einflußgebieten ausgerichtet werden wird.(13) Die Landstreitkräfte erhalten einen Zuschuß von 5 MilliardenAUS$ in den nächsten 10 Jahren, die es der Regierung ermöglichen werden, zwei Operationen gleichzeitig durchzuführen und Truppen in Alarmbereitschaft zu halten, so daß auch kurzfristige Operationen möglich werden. Am bedeutsamsten ist auch hier nicht die Erhöhung des Budgets oder die Anzahl der SoldatInnen, sondern vielmehr die Umstrukturierung der Armee von einer großen Landesverteidigungsarmee zu kleineren, mobilen Eingreiftruppen. Aber auch Luftwaffe und Marine gehen nicht leer aus: Alte F/A 18 Hornet-Fighters sowie F-111 Langstreckenbomber werden teilweise aufgewertet, zum Teil ersetzt, vier Airborne Early Warning and Control Flugzeuge (AWACS) sowie Aufklärungs- und Transporthubschrauber neu angeschafft. Die Beschaffung von U-Booten der Collins-Klasse gilt als vordringlich, zudem werden mindestens drei Zerstörer gekauft.(14)

Vizesheriff der Region

"Proaktive Verteidigung" drängt die Assoziation amerikanischer Vergeltungs- und Präventivschläge auf. Tatsächlich hat Premierminister John Howard im letzten Jahr in einem Interview geäußert, die Rolle Australiens in der asiatischen Region sei die eines Deputy des Weltsheriffs USA. Ein Australien, das einen hegemonialen Sonderstatus in der asiatisch-pazifischen Region einnimmt, ein Australien, welches die eigenen, westlich-europäischen Werte und Interessen über militärische Interventionen zu verfolgen sucht, steht allerdings in der Kritik der asiatischen Staaten. Schon innerhalb der von Australien geleiteten Interfet-Interventionstruppe in Ost-Timor traten Spannungen zwischen australischen und asiatischen Beteiligten auf(15), zusätzlich zur Kritik von indonesischer Seite, die nur schwer verkraften konnte, daß die jahrelange Rüstungskooperation und wirtschaftliche Zusammenarbeit so unschön enden mußte, und Australien koloniale Ambitionen unterstellte(16).

Eine große innenpolitisch Koalition von Gewerkschaften, Kirchen, der Democratic Socialist Party und Osttimoresischer Führung legitimierte im Herbst 1999 die Forderung der bis dahin pro-indonesischen australischen Regierung, Friedenstruppen nach Ost-Timor zu entsenden und den Menschenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten. Für die Führung der Mission erntete die australische Regierung nationale und internationale Lorbeeren. Tatsächlich verfolgt Australien aber noch ganz andere Interessen in Ost-Timor als Menschenleben zu schützen: Während die Weltgemeinschaft immer wieder die Besetzung Ost-Timors in Resolutionen verurteilte, schloß Australien 1989 den Timor Gap Treaty mit Indonesien, in dem als Gegenleistung für die Anerkennung der Annexion die Grenzziehung zwischen Ost-Timor und Indonesien so erfolgte, daß Australien einen Großteil der Öl- und Gasreserven im Ozean zwischen Ost-Timor und Australien erhielt. Die Grenzen wurden nicht, wie nach internationalem Recht üblich, in der geographischen Mitte zwischen Australien und Ost-Timor gezogen, sondern sehr nahe an die osttimoresische Küste verlegt.(17) Diese Grenzziehung geriet unter Kritik der UN-Verwaltung, so daß im Oktober 2000 Gespräche mit dem Ziel der Neuordnung der Grenzen zwischen der australischen Regierung und UNTAET begonnen haben. Im Zuge der Gespräche schlug der australische Außenminister Downer vor, die Anteile Ost-Timors an den Öl- und Gasvorkommen direkt mit der von Australien erhaltenen humanitären Hilfe zu verrechnen und drohte auch offen mit der Minderung der Hilfeleistungen, sollte UNTAET auf einen Rechtsstreit bestehen.(18)

Auf der anderen Seite spielt sich Australien schon seit 1987 als Schutzmacht kleiner pazifischer Inselstaaten auf. So versorgt Canberra 11 Pazifische Staaten im Rahmen des Pacific Patrol Programmes mit Geheimdienstinformationen und Patrouillenbooten und trainiert die Crews. Dieses Programm wurde anläßlich des jährlichen Treffen des Pacific Islands Forum(19) im Oktober 2000 auf 25 Jahre verlängert. Der Preis, den die Inselstaaten dafür zahlen müssen, ist allerdings hoch: Australien und Neuseeland preßten die Biketawa Deklaration durch, die beiden Regionalmächten über das Forum Einmischung in die internen Angelegenheiten der Staaten gewährt und in Zukunft militärische Interventionen erleichtern kann: So verpflichten sich die Mitglieder des Forums in der Deklaration auf offen formulierte Richtlinien wie "Good Governance". Im Falle eines interpretierten Verstosses durch einen der Mitgliedsstaaten kann das Forum tätig werden, bis hin zu Militärintervention. Die letzten drei Jahre war Premier Howard dem Treffen ferngeblieben, erst um die 30jährige Tradition der Nichteinmischung des Forums umzustürzen und Australien bei künftigen Interventionen durch die diplomatische Legitimation des Forums und der daran beteiligten Staaten, die militärisch und wirtschaftlich abhängig sind, abzusichern. In einem Editorial der Tageszeitung "The Australian" wurde die Deklaration begrüßt als "Lizenz", die es ermögliche, moralischen, politischen und wirtschaftlichen Druck gegen irrende Nationen auszuüben.(20)

Verteidigungsminister John Moore stellte zwar anläßlich der neuen Militärdoktrin explizit fest, Australien suche nicht die Rolle des Vizesheriffs der Region , sondern wolle lediglich "eine verantwortliche Rolle in seiner Einflußsphäre spielen".(21) Das Weißbuch und die von Australien initiierte Biktawa-Deklaration sprechen aber eine andere Sprache: Verteidigung australischer Interessen wird in Zukunft über militärische Interventionen stattfinden.

Australiens Strategische Interessen

Alte, noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammende Ideen über die "Festung Australien" und die "Vorwärtsverteidigung" tauchen nur noch in abgewandelter Form im neuen Weißbuch auf. Die Prioritäten werden klar geographisch hierarchisiert: Australiens Sicherheit steht auf dem Papier im Vordergrund, anschließend folgt die Sicherheit der unmittelbaren Nachbarschaft, dann die Zusammenarbeit mit anderen Staaten, um Stabilität und Sicherheit in Südostasien zu erreichen, im asiatisch pazifischen Raum und schließlich globale Sicherheit, also Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen(22). Zur unmittelbaren Nachbarschaft gehören Indonesien, Neuseeland, Papa Neuguinea, Ost-Timor sowie die Inselrepubliken des südwestlichen Pazifiks. Diese Gebiet rechnete die australische Regierung zum unmittelbaren Einflußgebiet, sie wäre "besorgt"(23) über alle inneren oder äußeren Bedrohungen, und wäre auch bereit zu intervenieren, sei es bei einer Aggression gegen einen dieser Staaten, sei es bei Bürgerkriegen oder zur Katastrophenhilfe.

Begründungen

Begründungen für die Aufrüstungen werden unterschiedliche gegeben. Einerseits wird argumentiert, durch die wirtschaftliche, technische und strategische Entwicklung der Region sei der bisherige Rüstungsvorsprung und damit die Überlegenheit Australiens nicht mehr garantiert. Von den derzeit zur Sicherheit Australiens beitragenden Faktoren wie der Allianz mit den USA, den guten Beziehungen zu den Nachbarstaaten, der eigenen starken Armee und der geographischen Lage Australiens wird lediglich letztere als beständig gesehen. Alle anderen Faktoren könnten sich wandeln, und darauf muß Australien vorbereitet sein.

Auch Australien hat sein Kosovo, nur heißt es hier Ost-Timor. Die Intervention in Ost-Timor von September 1999 bis Januar 2000, an der 5.500 australische SoldatInnen teilnahmen, band mehr als die Hälfte der Bodentruppen, einen Großteil der Navy und der Transportkapazitäten der Luftwaffe, obwohl es keine große militärische Operation war. Auch führte der Einsatz die Veralterung der Ausrüstung vor Augen. Ohne die bereitwillig gewährte Hilfe von Seiten der Vereinigten Staaten und Japans hätte Australien die Operation nicht anführen können. Auch hier gab es im Juli 2000 einen Besuch von US-Verteidigungsminister Cohen, der die australische Regierung dazu aufforderte, die Militärausgaben zu erhöhen und die australischen Streitkräfte fit zu machen für künftige gemeinsame amerikanisch-australische Einsätze im asiatisch- pazifischen Raum.(24) Gleichzeitig ist die australische Elite, genau wie die europäischen, nicht zufrieden mit der militärischen Abhängigkeit von den USA und hat eigene Interessen in der Region, die sich von US-amerikanischen durchaus unterscheiden, daher auch die breite Kritik der australischen Medien am Weißbuch, die Steigerung des Budgets sei nicht hoch genug.(25) Als Lehre aus dem Vietnamkrieg(26) hatte sich trotz australischer Beteiligung an UN-Peacekeepingeinsätzen und auch am Golfkrieg eine sehr kritische Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber Auslandsmilitärinterventionen gehalten. Erst der Einsatz in Ost-Timor und die sich global durchsetzende Menschenrechtsrhetorik führten zu einem Wandel der Öffentlichkeit hin zu Befürwortung von Interventionen. Man darf gespannt sein, es bietet sich eine große Spielwiese für Australien: Zusammenbruch des Regimes in Indonesien, Putschversuch in Fidji, Bürgerkrieg auf den Solomon Islands, Sezession Ost-Timors und weitere Abspaltungsbestrebungen in Indonesien und Papa Neuguinea, von Verteidigungsminister Moore zusammengefaßt als "sea of instability", bedrohen nicht zuletzt australische Firmen, die substantielle Investitionen in Indonesien und im Südwestpazifik zu verlieren haben, also auch daher Interesse an militärischen Interventionen, die den Einfluß Australiens in der Region, und - wie im Fall des Ost-Timor-Einsatzes - das Ansehen in der Weltgemeinschaft noch vergrößern.

Eine wachsende Unsicherheit wird in der gesamtasiatischen Region festgestellt, der Konflikt Taiwan/China, die Situation in Indonesien, Papa Neuguinea und die Koreanische Halbinsel werden als Faktoren dafür angeführt. Das hält die australische Regierung jedoch nicht davon ab, die amerikanischen Pläne einer Nationalen Raketenabwehr (NMD) zu stützen, die von China ganz klar als Bedrohung und als Grund für ein Aufrüsten wahrgenommen werden. Teil von NMD wäre nicht zuletzt die Pine Gap Radaranlage in der Nähe von Alice Springs, die die USA und Australien gemeinsam betreiben. Diese Radaranlage würde benötigt, um Langstreckenraketen aus Asien oder dem Nahen Osten zu entdecken, so sie abgefeuert würden.(27)

Von präventiver Politik ist übrigens im gesamten Weißbuch nur einmal die Rede: Australien würde es begrüßen, wenn das ASEAN Regional Forum eine größere Rolle für die Sicherheit der Region spielte, und dazu auch Mittel präventiver Politik benutzte.
 

Gesellschaftlicher Konsens: Australien rüstet auf

Erstmalig ging dem Weißbuch eine neunwöchige Konsultationsphase voran, durch die die Regierung die Debatte über den üblichen Kreis von AkademikerInnen, JournalistInnen und Industrie hinaus erweitern wollte, und sich gleichzeitig eine vermeintlich breite Legitimationsbasis ihrer Politik verschaffte. Vorab wurde ein Diskussionspapier veröffentlicht, sowie eine eigene Webseite gestaltet. In über 20 öffentlichen Sitzungen, per E-mail, Fax und Telefon konnten sich Bürgerinnen und Bürger zur Verteidigung Australiens äußern.(28) Die Beteiligung der Öffentlichkeit wurde dann durch Konsultation von Landes- und Kommunalregierungen, Interessengruppen aus (Rüstungs-) Industrie, Handel und Wirtschaft abgerundet. Ein Bericht faßte die Ergebnisse zusammen, die mit in Defence 2000 - Our Future Defence Forces einflossen. Eine Schlüsselposition ist dann auch "In summary: The public supports an increase in defence funding" (29) In dem im September veröffentlichten Bericht werden Aussagen, die Militär an sich in Frage stellen, in einen Kontext mit der Forderung nach Nuklearwaffen und der Bewaffnung aller AustralierInnen gestellt(30), genaue empirische Daten werden nicht gegeben. Es ist auch anzunehmen, daß das Diskussionspapier der Regierung wesentliche Weichenstellungen und Tabus schon vorgab. Prinzipiell ist eine Transparenz und Beteiligung der Öffentlichkeit an Außen- und Sicherheitspolitik zu begrüssen, wenn sie jedoch nur zu kosmetischen Legitimationszwecken dient, ist sie kontraproduktiv. Der Berichterstattung der nationalen Zeitungen nach (wobei hinzugefügt werden muß, dass der Murdoch-Konzern die australische Medienlandschaft nahezu komplett besitzt, was sich bemerkbar macht) befürwortet die australische Öffentlichkeit die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes, bzw. kritisiert sie lediglich, weil sie nicht weit genug geht. Bei einer Arbeitslosenquote von 7,5% und Wirtschaftswachstum von über 4%, sowie einer für Australien erfolgreichen Ost-Timor-Operation und einem auch bei der Olympiade und den Paraloympics omnipräsenten Militär ist es anscheinend gesamtgesellschaftlicher Konsens, es dürfe ein bißchen mehr sein. Auch der Sprecher der Labor-Opposition Kim Beezley befürwortet im großen und ganzen die Pläne der Regierung. Sein größter Kritikpunkt ist, daß die Erhöhungen nicht so hoch ausfällt, wie von der Regierung vorgerechnet.(31)

Globaler Trend: Interventionsarmee

Das neue australische Weißbuch ist beispielhaft für die Verteidigungsdoktrinen westlicher Industrienationen. Ohne den bahnbrechenden Schritt als solchen zu markieren, werden auch hier die Möglichkeit, militärische Interventionen durchzuführen, als Fähigkeit zur Verteidigung verkauft. Anstatt auf eine präventive Außen- und Sicherheitspolitik zu setzen, soll Stabilität und Sicherheit mit Waffengewalt geschaffen werden- eine Rechnung, die nicht aufgehen kann. Was aber dadurch möglich wird, ist das Durchsetzen wirtschaftlicher und strategischer Interessen unter dem Schutzmantel von Menschenrechtsrhetorik, siehe Ost-Timor.

Der Bevölkerung wird suggeriert, sie lebe in unsicheren Zeiten. Dieser Unsicherheit könne nur durch eine Erhöhung der Ausgaben für das Militär und durch verstärkte Interventionen in der Region begegnet werden. Vielleicht wird aber gerade das australische Aufrüsten zum Startschuß für den viel beschworenen Rüstungswettlauf in Asien.sw

Anmerkungen:
(1) "A cautious document of a friendly country", so nannte Premierminister Howard das neue Weißbuch, Sydney Morning Herald (SMH), 7.12.00. 
(2) Staatsoberhaupt des Commonwealth of Australia ist die britische Königin Elizabeth II. Seit 1996 regiert eine Koalition der Liberal Party und der National Party unter Premierminister John Winston Howard. Die nächsten Wahlen finden im Oktober 2001 statt. 
(3) Ein australischer Dollar entspricht ungefähr 1,20 DM.
(4) CIA Factbook 2000, http://www.odci.gov/cia/publications/factbook/geos/a.shtml.
(5) Defence 2000 Our Future Defence Forces, 3.37 "Australia today is a secure country... A full scale invasion of Australia, aimed at the seizure of our country and the erasure or subjugation of our national polity is the least likely military contingency Australia might face. No country has either the intent or the ability to undertake such a massive task." http://www.defence.gov.au.
(6) Tatsächlich ist diese Verpflichtung weder für die Howard-Regierung noch für nachfolgende Regierungen rechtlich verbindlich, wie die Australian Defence Association besorgt zu bedenken gibt: " Catch-up spending no sure thing" http://www.ada.asa.au
(7) "Weekend Warriors to be closer to action" Sydney Morning Herald (SMH), 07/12/00
(8) Defence 2000, 7.63 "The Government's vision for the Australian Services Cadet Scheme is to provide opportunities for all young Australians to obtain comprehensive personal challenges and growth, enhanced self-esteem and self-discipline, and adventurous enjoyment in a military setting"
(9) "Young turks get a shot in the arm" SMH 07/12/00
(10) Defence 2000, 6.9 "... We would therefore seek to attack hostile forces as far from our shores as possible, including in their home base, forward operating bases and in transit. We would aim to seize the initiative and dictate the pace, location and intensity of operations" 
(11) Auch "Navy Questions and Answers" kann den verdacht nicht ausräumen, daß hier altes in einer neuen rhetorische Hülle verpackt wird "Q. Is the White Paper a return to forward defence? A. No. Australia's number one strategic priority is to prevent or defeat an armed attack on Australia. This means we must be able to protect our direct maritime approaches from intrusion by hostile forces."http://WWW.NAVY.GOV.AU/whitepaper/whitepaper3.html.
(12) Defence 2000, 8.69. 
(13) Defence 2000, 8.11. "The development of our land forces will take fuller account of the demands of possible short-notice operations in our immediate neighbourhood".
(14) Defence 2000, Kapitel 8 " Defence capability plan".
(15) Jungle World 29.9.00 Der UN-Sicherheitsrat genehmigte am 15. September 1999 die Entsendung einer internationalen Eingreiftruppe für Ost-Timor (Interfet), deren Kommando erstmalig von Australien übernommen wurde. Die multinationale Eingreiftruppe sollte den Frieden wieder herstellen und Soforthilfe leisten. Die Stationierung 8.000 Mann starken Truppe begann Ende September 1999 und bestand aus Kontingenten aus Australien, Neuseeland, Thailand, Singapur, Malaysia, und den Philippinen. Großbritannien, Frankreich, Kanada Irland und die USA, Brasilien und Italien waren ebenfalls in kleinerem Umfang mit von der Partie, genauso wie die BRD mit ihren 100 Sanitätssoldaten Am 25. Oktober 1999 verabschiedete der Sicherheitsrat eine Resolution, die eine Übergangsverwaltung für Ost-Timor - die Untaet - für eine Anfangsphase bis zum Januar 2001 einsetzte. Auch hier sind die Australier maßgeblich beteiligt. Die Mission soll das Land langfristig stabilisieren. Vgl. ami 12/99, S. 35 ff, ami 10/99, S.57 ff. 
(16) " A cautious Pacific Giant" IHT 13.6.00.
(17) Diese Politik der Grenzziehung hatte Tradition zwischen Australien und dem Suharto-Regime, welches die diplomatische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung durch Australien höher bewertete als Rechte an unerschlossenen, bzw. vermuteten Öl- bzw. Gasvorkommen. Vgl. Mike Head, "Timor Gap dispute highlights motives behind Australian intervention" http://wsw.org/articles/2000/oct2000/tim-o25_prns.html
(18) ibid.
(19) Mitgliedsstaaten sind Australien, Neuseeland, Cook Islands, Indonesien, Mikronesien, Fiji, Kiribati, Niue, Palau, Marshall Inseln, Samoa, Tonga, Tuvalu, Vanuatu, Nauru, Papa Neuguinea, Solomon Islands.
(20)"licence to impose moral as well as trade or political leverage against errant nations" in "Australia and New Zealand bully island states into accepting regional intervention", Will Marshall, 22. November, http://www.wsw.org/articles/2000/pif-n22_prn.shtml.
(21) A Package perfectly pitched to woo voters SMH, 07/12/00.
(22) Dies gilt wohl nur für die Übernahme von Peacekeepingaufgaben, für die Asylpolitik und die Behandlung der Urbevölkerung erntete Australien im Herbst letzten Jahres harsche Kritik von Seiten der UNO, gegen die sich die Regierung scharf verwehrte. Vgl. ami 10/00, S.15 ff. 
(23) Defence 2000, 4.8 "We would be concerned about major internal challenges that threatened the stability and cohesion of any of these countries. We would also be concerned about any threat of outside aggression against them".
(24) Die enge Bindung an die Vereinigten Staaten, - laut John Howard so eng wie sie zwischen zwei Staaten nur sein mögen, erklärt sich einerseits aus dem Verteidigungspakt zwischen den USA, Australien und Neuseeland ( die Mitgliedschaft Neuseelands ist seitdem sie 1986 US-Atombooten den Zugang zu ihren Häfen verwehrten, suspendiert) ANZUS, der in diesem Jahr 50. Geburtstag feiert. Andereseit bestehet eine enge Rüstungskooperatoin zwischen Australien und den USA, sprich, Australien kauft amerikanisch. 
(25) " Australian Government unveils new interventionist military doctrine" Mike Head, 16 december 2000, http://www.wsws.org/articles/2000/dec2000/mili-d16_prn.shtml
(26) Zwischen 1962 und 1972 waren insgesamt über 50 000 Mitglieder der australischen Streitkräfte in Vietnam stationiert .
(27) Missile Shield stirs up Dissent in Australia, IHT 19.07.00
(28) Die Beteiligung war, laut community consultation report, wie folgt: Web site hits :179,745 Web site visits: 105,865 Discussion Paper downloads : 6453 E-mail messages: 5316 Submissions :1157 Calls and voice-mail: 3674. Discussion paper distributed (hardcopy) 17,935 Australian Perspectives on Defence: Report of the Community Consultation Team, September 2000, S.8. http://www.defence.gov.au.
(29) Ibid, S.6. 
(30) Ibid S.8 "Of course, we received a wide range of opinions. They ranged from views that all Australians should be armed, that the Defence Force should be equipped with nuclear weapons, to those who were opposed to maintaining any military force.".
(31) Vgl. Parlamentsdebatte am 6.Dezember anläßlich der Veröffentlichung des Weißbuches: http://www.aph.gov.au.
 

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