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Ausgabe 3/01   Seite 30ff

In dem seit fast 10 Jahren andauernden Bürgerkrieg in Sierra Leone sind bislang Zehntausende von Menschen getötet worden, ca. 40.000 Menschen verstümmelt und mehr als eine Million Menschen zur Flucht getrieben worden. Nach wie vor stehen sich die Konfliktparteien unversöhnlich gegenüber. Die Ratlosigkeit der internationalen Gemeinschaft manifestierte sich in der periodischen Aufstockung des dort stationierten UNAMSIL-Kontingents und der Verhängung und Umsetzung eines Waffenembargos. Hinzu kommt nun das Diamantenembargo, welches international zwar als sensationeller Durchbruch gefeiert wurde, aber bislang auch nicht die Rebellen in die Knie zwingen konnte. Der Bürgerkrieg droht stattdessen zu einem Experimentierfeld der internationalen Gemeinschaft zu werden - mit den Global Players als Gewinnern.

Sierra Leone: Diamanten überstrahlen die Ratlosigkeit

"The value of the diamond is what any fool will pay for it"(1)

Der perfekte Bürgerkrieg?

In der UNO und den NGOs machte sich Ratlosigkeit breit. Friedensverhandlungen wurden halbherzig geführt und finanziell unterstützt. Sie klammerten sich an die zwei klassischen Instrumente der Interventionspolitik, die Stationierung von immer mehr "Blauhelmen" - erst der ECOMOG und später der UNAMSIL, und die Verhängung eines Embargos - erst nur für Waffen und seit letztem Jahr auch für Diamanten.(2) Die Gegenüberstellung der "guten und demokratisch gewählten Regierung" Ahmads Kabbahs und den "schlechten" Warlords der Revolutionary United Front (RUF) erleichterte zwar im Westen wenigstens die politische Unterstützung für eine militärische und ökonomische Interventionspolitik, konnte aber dadurch nicht die Widersprüche zwischen Verlautbarung und Interventionspraxis erklären, z.B. die Waffenlieferungen an die Regierung trotz UN-Embargo oder die Selbstbereicherung der nigerianischen ECOMOG-Soldaten.

Gerade das Embargo gegen Diamantenexporte verdient besondere Aufmerksamkeit. Es basiert auf der Annahme, daß die RUF nur dank der Diamantenförderung und des Diamantenschmuggels in der Lage ist, Krieg zu führen, und ansonsten keine politische Rückendeckung und Unterstützung in der dortigen Gesellschaft findet.

Die Diamanten wurden zum neuen Brennpunkt der internationalen Einflußnahme auf den Bürgerkrieg in Sierra Leone. Die Erlöse, die mit dem Diamantenhandel erzielt werden können, sind vor allem für die afrikanischen Staaten bedeutende Haushaltsgrößen und eine wichtige Devisenquelle. Für diese Staaten ist es also ökonomisch sinnvoll, die Förderung um jeden Preis sicherzustellen, sei es durch Lizenzvergabe an Konzerne und/oder Duldung von Sicherheitsfirmen. Auf Abnehmerseite finden sich halblegale Strukturen bzw. organisiertes Wegsehen bei der Einfuhr dieses Minerals. Die Geschäftspraktiken der Branche sind undurchsichtig, geheimnisumwittert und das Objekt verspricht hohe Profitmargen, gerade im Luxusgütersegment.

Mit anderen Worten, es treffen sich zwei soziale Gruppen (staatliche Eliten und Händler mit spezifischem Geschäftsgebaren), die Profit suchen und die Mittel haben, ihn zu erhalten. Korruption und Schmuggel gehörten immer dazu, waren immer Teil der Rechengrößen. Genausowenig wie in der Gold-, Bananen- oder Ölindustrie dreht sich das Denken nicht um die gerechte und umweltverträgliche Nutzung der Rohstoffe, sondern um Profit. Die plötzliche Empörung darüber, daß nicht-staatliche Bürgerkriegsparteien das Verhalten der staatlichen und wirtschaftlichen Eliten kopieren und sich durch mineralischen und gesellschaftlichen Raubbau finanzieren, rührt zum Teil eher daher, daß die RUF-Aktivitäten in Sierra Leone die Profitaussichten anderer Akteure mindern.

Trotzdem legten die westlichen Staaten unter Anleitung Großbritanniens seit 1998 einen bemerkenswerten Aktionismus an den Tag, die technischen, rechtlichen und politischen Voraussetzungen für ein Embargo herbeizuführen. Die sogenannte internationale Gemeinschaft - allen voran die USA, Großbritannien und Nigeria - förderte und profitierte von dieser selektiven Herangehensweise. Sie lenkte ab von ihren wirtschaftlichen und geopolitischen Zielsetzungen.(3) Im Verlaufe der Embargoformulierung und -umsetzung wird nun versucht, andere "Rechnungen zu begleichen".(4) Auffällig an dieser Einhelligkeit gegenüber einem Verbot von "Konfliktdiamanten" bzw. "blutigen Diamanten" ist auch die Beteiligung der nicht gerade zimperlichen Diamantenindustrie, jeweils unterstützt von den Heimatstaaten der Konzerne, die bei dieser Gelegenheit um die zukünftigen Marktanteile streitet, gerne auch auf dem Rücken der Menschen in den Bürgerkriegsgebieten.

In all seiner Widersprüchlichkeit zeigen sich am Diamantenembargo gegen Sierra Leone also alle Facetten der zukünftigen militärisch abgesicherten Weltwirtschaftsordnung.

Sierra Leones Bodenschätze

Der militärische Konflikt in Sierra Leone war während der gesamten Zeit von externen Faktoren bestimmt. Allein aus diesem Grund hatten die Bodenschätze im Land (Bauxit, Rutil, Diamanten) während des Bürgerkrieges primär eine Versorgungsfunktion für die verschiedenen militärischen Gruppen.(5) Sie haben damit das Verhaltensmuster der staatlichen Eliten in den Jahren davor kopiert, die die Erlöse der Rohstoffextraktion zum Erhalt ihrer Macht benutzt haben. Die sozialen Aufgaben wurden den IWF-Strukturanpassungsprogrammen überlassen.

Die Rohstoffe Rutil und Bauxit spielen für die Stahl- und Aluminiumerzeugung eine große Rolle. Sierra Leone verfügt über das zweitgrößte nachgewiesene Vorkommen von Rutil und war der zweitgrößte Lieferant dieses Rohstoffes.(6) Der Rutil- und Bauxitexport brachte dem Staat 1995 Einnahmen von über 100 Mio. $ (ca. 22% des Staatshaushalts / 50% der Exporteinnahmen) Erst während und durch den Bürgerkrieg wurden die Diamanten zum profitabelsten Exportgut und damit auch zum Gegenstand militärischer Auseinandersetzungen.(7)

Die Diamanten aus Sierra Leone zeichnen sich im Durchschnitt durch eine hohe Qualität aus und dadurch, daß ein Großteil nah an der Bodenoberfläche in Flußläufen gelagert ist und daher relativ günstig gefördert werden kann, d.h. weniger kapital- als menschenintensiv.(8) Dadurch allerdings konnte Jedermann mit Schürfgerät aktiv werden und am Staat und den Diamantenkonzernen vorbei wirtschaften. Das größte Diamantenfeld befindet sich Kono, wo seit 70 Jahren Diamanten gefördert werden - vorwiegend Kimberlit-Schlote, die mit Maschinen abgebaut werden müssen. Die Region war fest in der Hand der Konzerne. Das Tongo-Feld liegt südwestlich von Kono und die Diamanten können ohne umfangreiche Hilfsmittel gefördert werden. Es wird vermutet, daß bei 3 Karat (ca. 750 $) pro geschürfter Tonne Erde ca. 3,3 Mrd.$ ingesamt gefördert werden können. Das dritte Feld findet sich bei Zimmi am Moro River an der Grenze zu Liberia. In diesem Gebiet sind die Kimberlit-Schlote noch nicht erschlossen, aber die Konzerne haben bereits großes Interesse gezeigt.(9)

Was die Fortführung des Krieges also für beide Seiten so interessant und lukrativ macht, ist der damit verbundene verhältnismäßig hohe Profiterlös. Dies ist auch heute noch das größte Problem einer Demobilisierung, da nur mit Waffengewalt die Kontrolle über die Finanzierungsmittel für die jeweiligen bewaffneten Gruppen gewährleistet werden kann.

Bürgerkrieg zur Sicherung der Marktanteile

Die Entstehung der Revolutionary United Front (RUF) 1991 geht auf den Versuch des damaligen liberianischen Rebellenführers (und heutigen Präsidenten) Charles Taylor zurück, die in Liberia stationierten nigerianischen ECOMOG-Truppen durch Unruhe im Nachbarstaat Sierra Leone an einer zweiten Front zu beschäftigen.(10) Das grausame Vorgehen der RUF unter Führung von Foday Sankoh brachte ihnen anfangs Zulauf im Hinterland, vorwiegend von Jugendlichen, aber durch das Fehlen politischer Konzepte konnte die RUF nie die Unterstützung der wichtigen Mäzenen in der Hauptstadt Freetown gewinnen.

Als ihr Vormarsch auch die Minenregion am Mano River im Osten Sierra Leones erreichte, wuchs die Besorgnis bei den Heimatstaaten der amerikanischen und europäischen Bergbaukonzerne. Mit ausländischer Duldung und Unterstützung putschte sich Kapitän Valentin Strasser 1992 an die Macht und begann eine dreijährige Gegenoffensive mit Hilfe nigerianischer Einheiten und Söldnertruppen. Es gelang ihnen, die RUF bis nach Liberia zurückzudrängen. Beteiligt war auch das südafrikanische Söldnerunternehmen Executive Outcomes, das im Gegenzug für erbrachte Leistungen eine Konzession für die zum Konzerngeflecht gehörende Bergbaufirma Branch Energy bekam.(11) Die US-Firma Sierra Rutile Ltd., die von der Regierung in Sierra Leone quasi eine Monopolstellung erhalten hatte, heuerte die Gurkha Security Guards an - mußte aber trotzdem 1995 ihre Aktivitäten einstellen. Die damals zum Alusuisse Konzern gehörende Bauxitfirma Sieromco stellte im gleichen Jahr ihre Aktivitäten ein.(12)

Strasser wurde zwar vom Brigadegeneral Maada-Bio Ende 1995 abgesetzt und im Februar/März 1997 kam es zu Präsidentschaftswahlen, aus denen Ahmad Tejan Kabbah als Sieger hervorging. Aber auch Kabbah änderte nichts an der Politik bewaffneter Rohstoffsicherung.(13) Er ging sogar soweit, die Armee Sierra Leones (SLA) zugunsten regionaler paramilitärischer Strukturen der Kamajors abzubauen und für die Sicherung der Fördergebiete Executive Outcomes für 1,8 Mio.$ pro Tag anzustellen und die Anwesenheit von Defense Systems Ltd. und Lifeguard hinzunehmen - sehr zur Zufriedenheit Nigerias, Großbritanniens und der USA.(14)

Das gleiche Muster externer Einflußnahme zeigte sich im Mai 1997, als Major John Paul Koroma mit Einheiten der SLA putschte. Ohne Mandat der ECOWAS, OAU oder UNO begaben sich die 11.000 in Liberia stationierten nigerianischen ECOMOG-Einheiten nach Sierra Leone, um Koroma und seine Junta abzusetzen. Koroma suchte den Schulterschluß mit der RUF, die von Osten her sofort die rohstoffreichen Regionen besetzte. Bis März konnte sich das Bündnis AFRC-RUF halten, aber dann errangen Kamajor, Sandline International, nigerianische ECOMOG-Einheiten und britische Soldaten den Sieg.(15) In der Zeit kämpfte Koromas Allianz mit den Kamajor um die Kontrolle des Zimmi-Feldes und mit den ECOMOG-Einheiten um Kono. Das Tongo-Feld dagegen blieb lange unter Kontrolle der RUF.(16)

Während der Koroma Junta suchten viele Bergbaufirmen den Kontakt zu Kabbah in seinem guineanischen Exil Conakry. Der Konzern American Mine Fields (AMF) bot seine finanzielle Unterstützung an. AMF hat eine Mehrheitsbeteiligung an Nord Resources, der wiederum Anteile an Sierra Rutile gehörten. Im Dezember 1997 kam es dann zu ersten weitergehenden Gesprächen zwischen Sandline International und Kabbah. AMF war aber nicht bereit mitzuziehen, da zum Sandline-Geflecht auch der Konkurrent Diamond Works gehört.(17)

Mit der Wiedereinsetzung von Kabbah im Februar 1998 und den anschließenden Verhandlungen über eine Regierung der nationalen Einheit erhofften sich die plötzlich auch sehr aktiven USA und Großbritannien einen dauerhaften Frieden und eine ungehinderte Aufnahme der Bergbauprojekte.(18) 1999 wurde der Rutil-Export in die USA wieder aufgenommen, wenn auch in geringerem Umfang als vor 1995.

Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens von Lomé 1999 wurden Foday Sankoh und Koroma begnadigt und an der neuen Regierung beteiligt.(19)

Die Hoffnung auf Frieden erfüllte sich nicht. Die RUF weigerte sich, ihre Waffen abzugeben und die Diamantenfördergebiete zu räumen. Aufgrund der schlechten Informationslage ist nicht einmal bekannt, wie viele RUF-Rebellen existieren und wieviele sich davon im Grenzgebiet zwischen Sierra Leone und Liberia aufhalten. Die Zahlen schwanken zwischen 15.000 und 45.000(20). Es ist außerdem davon auszugehen, daß die Diamantenkonzerne weiterhin regionale bewaffnete Gruppen unterstützen. Zeev Morgenstern, leitender Mitarbeiter der kanadisch-belgischen Rex Diamonds, soll 1998 Waffen und militärische Einzelteile im Wert von 3,8 Mio.$ für Sierra Leone gekauft haben. Morgenstern leugnet das Geschäft nicht, nur den Zusammenhang mit der Diamantenförderung.(21)

Aufmarschgebiet Sierra Leone

Seit der erneuten militärischen Eskalation im Mai 2000, als die RUF Freetown angegriffen hatte und in deren Folge RUF-Anführer Sankoh auf seiner Flucht zur Nigerian High Commission festgenommen wurde, herrscht ein gespannter Friede, immer wieder begleitet von "kleineren Zwischenfällen". Zwar wurde unter RUF-Interimsführer Issa Sesay ein achtköpfiger Politischer Rat eingesetzt, dessen Vorsitzender der ehemalige RUF-Sprecher Omrie Golley ist, aber seitdem kam es zu keiner weiteren Bewegung bei den Bürgerkriegsparteien in Richtung Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Auch die geplanten Wahlen für Februar/März 2001 mußten vertagt werden.(30) Inzwischen droht der Konflikt auch auf den Nachbarstaat Guinea überzugreifen, in den sich ca. 300.000 - 400.000 Bürgerkriegsflüchtlinge zurückgezogen haben. Einheiten aus Guinea und die lokale Bevölkerung haben Ende Februar die Flüchtlingsgemeinden angegriffen.(22)

Die Anwesenheit der verschiedenen bewaffneten Gruppen mit jeweils gleichen aber nicht kompatiblen Interessen machen es für Präsident Kabbah unmöglich, eigenständig eine Entscheidung zu treffen - immer ist eine Rücksprache mit UNO, Nigeria, Großbritannien oder den USA notwendig. Die neue Sierra-Leonesische Armee ist bislang noch ein Papiertiger.(23)

Die Interessenkonflikte zeigen sich schon im kleineren Rahmen der UNAMSIL, die seit dem 25.11.99 das Kommando von der ECOMOG übernommen hat. Das UNAMSIL-Kontingent wurde in drei Etappen von 6.000 auf 13.000 Soldaten erhöht. Aber weder ist die Ausrüstung angemessen, noch werden von den Entsendestaaten ausreichende Einheiten zur Verfügung gestellt.(24) Großbritannien und die USA sind zwar involviert, wollen aber das Kommando über ihre Einheiten behalten, um im Bedarfsfall militärisch einzugreifen. Zur Unterstützung der UNAMSIL befinden sich auch US-Ausbilder für zwei Bataillone in Nigeria. Großbritannien hat 700 Soldaten des Luftlanderegiments geschickt sowie vier Transporthubschrauber. Eine weitere Form der indirekten Hilfe, vor allem Großbritanniens, sind Waffenlieferungen und Ausbildung für die Polizei Sierra Leones und die Kamajor-Milizen.(25) Hilfe erfolgt auch durch Duldung informeller Waffengeschäfte, wie der mit der Söldnerfirma Sandline International: Im Mai 1998 wurde entdeckt, daß Sandline trotz UNO-Embargo ca. 30 Tonnen Waffen und Munition aus Bulgarien für die Kamajor Milizen im Wert von 10 Mio.$ geliefert hat, mit Wissen der britischen Regierung.(26)

Ein weiteres Problem für UNAMSIL ist das Verhältnis zu den ECOMOG-Einheiten Nigerias. Nigeria hat während des Bürgerkrieges eigenständig wirtschaftliche "Kontakte" aufgebaut und will die eigenen Truppen ähnlich wie die westlichen Staaten nach eigenem Gutdünken einsetzen. Die UNO benötigt dagegen dringend weitere Einheiten, um die anvisierte Stärke von 13.000 Soldaten zu erreichen. Es bahnt sich ein Kompromiß an, so daß weitere 3.000 nigerianische Soldaten unter ECOMOG-Kommando mit UNAMSIL kooperieren. Im Gegenzug erwartet Nigeria finanzielle Hilfe, vor allem für Sold und Transportkosten, in Höhe von 7 Mrd. $.(27)

Outsourcing des Problems

Daß die Strukturen der Diamantenförderung in Sierra Leone - aber auch in anderen Staaten - der Finanzierung bewaffneter Strukturen dienen und wegen ihrer ökonomischen Bedeutung einen Konfliktgegenstand darstellen, ist nicht zu bestreiten. Allerdings sind die bisherigen präventiven bzw. "friedenschaffenden" Maßnahmen in ihrer Wirkungsrichtung einseitig auf den Exportstaat ausgerichtet und verändern nicht das Verhalten in den Importstaaten.

Der Druck auf alle beteiligten Staaten und Organisationen war auch hoch, ihrer anfänglichen Empörung Taten folgen zu lassen. Vor allem Großbritannien und die USA begannen energisch, die anderen auf Linie zu bringen: Anfang Mai fand ein Treffen des African Diamond Technical Forum in Südafrika unter Beteiligung Großbritanniens, der USA und NGO Vertretern statt, Anfang Juli ein von Großbritannien initiiertes Treffen der vier großen Diamantenimporteure Belgien, Indien, Israel und USA in London. Hinzu gebeten wurden Rußland, Kanada und ein Vertreter De Beers. Die erarbeiteten Vorschläge wurden dann auf dem G-8 Treffen in Okinawa (23-25.7.00) angenommen. Im gleichen Monat präsentierte die International Diamond Manufacturers Association (IDMA) einen 9-Punkte Katalog zur Vermeidung des illegalen Diamantenhandels. Im Herbst gründete sich die World Diamond Council, um als Industrieverband Lobbyarbeit zu betreiben. Vom 19.-21.9.00 trafen sich die afrikanischen Bergbauminister in Kimberly/Südafrika, um Vorschläge für eine UN-Resolution zu erarbeiten, die Südafrika am 1.12.00 einreichte und die von der Vollversammlung angenommen wurde.

Der sogenannte "Kimberley-plus"-Prozeß soll im Februar mit einer Konferenz in Namibia fortgesetzt werden, wo technische Standards eines Zertifikat-Systems entwickelt werden sollen.(28) Über die Kosten, die genaue Kostenaufteilung und mögliche Sanktionsmaßnahmen gegen Einzelhändler und Diamantenkonzerne, die sich nicht an das Embargo halten, wurde noch nicht geredet.

Rohdiamanten, die vor allem für die Luxusgüterindustrie benötigt werden, finden sich in nur wenigen Staaten der Welt in größeren Mengen, die den Aufbau einer Förder- und Vertriebsstruktur rechtfertigen. Zu diesen Staaten gehören Südafrika, Namibia, Angola, Botswana, DR Kongo, und Sierra Leone in Afrika, Rußland (mit ca. 1/4 der Weltdiamantenreserven), Australien und noch weitgehend unerschlossene Gebiete in Kanada.(29) Die geförderten Diamanten werden zu 80% in Antwerpen verkauft und dann von den Diamantenschleifern in Israel, Indien, Belgien und den USA weiterverarbeitet. Der Absatzmarkt für die geschliffenen Steine sind dann die USA, Japan und Europa. Der Handel mit Rohdiamanten generiert weltweit ca. 30 Mrd. $ Umsatz, mit den verarbeiteten Steinen werden ca. 56 Mrd. $ Umsatz erzielt.(30)

Über die genaue Förder- und Handelsstruktur dieser geheimnisumwitterten Branche herrscht weiterhin Unklarheit. Die beteiligten Regierungen und Konzerne geben nur soviel preis, wie gerade erzwungen wird. Die Vertriebswege sind kaum nachzuvollziehen, gerade vom afrikanischen Kontinent nach Europa, da einige Staaten, wie z.B. die Schweiz, ihre Sonderwirtschaftszonen hegen und pflegen: "Keine Fragen - keine verfänglichen Antworten".(31)

Zum Umfang des Diamantenhandels werden allerdings stark divergierende Angaben gemacht. Die UNO redet von 25-100 Mio.$, britische Quellen von 200-300 Mio.$ pro Jahr.(32) Aufgrund der Ergebnisse des UNO-Berichts über das seit 2000 existierende Diamantenembargo gegen Sierra Leone wird nun auch eine Ausweitung des Embargos gegen alle Diamantenexporte aus Liberia gefordert sowie die Einrichtung einer International Diamonds Standards Commission der UNO.(33) Großbritannien konnte bislang erreichen, daß die EU Liberia Hilfe im Wert von 47 Mio.$ vorenthalten hat. Laut dem Bericht ist Liberia Ende der 90er Jahre zu einem Zentrum des kriminellen Diamantenhandels geworden. Obwohl Liberia nur eine jährliche Diamantenförderkapazität von 100-150.000 Karat besitzt, wurden 1998 ca. 6 Mio. Karat Diamanten nach Belgien exportiert. Es wird vermutet, das Liberias Präsident Taylor die Devisen benötigt, um frühere Waffenkäufe von Libyen zu bezahlen. Im gleichen Jahr exportierte Sierra Leone dagegen nur 770.000 Karat.(34) Für Ian Smilie von Partnership Africa Canada steht fest, daß in Sierra Leone eine "Gangsterökonomie" auf der Grundlage der Diamantenförderung entstanden ist.

Da durch Antwerpen ca. 80% des Rohdiamantenhandels und ca. 50% des Handels mit geschliffenen Diamanten geht, rücken auch die dortigen Diamantenhändler in den Blickpunkt der Kritik.(35) Allerding hält sich der Wille zum Verhängen von Sanktionen, sowie deren Empfindlichkeit in Grenzen. Peter Meeus, Geschäftsführer der Diamond High Council (belg. HRD), weist das Problem von sich: "Wir glauben, daß der Diamantenschmuggel ein Mythos ist. Wenn er je existiert hat, ist dies spätestens mit der Einführung des UN-Embargos [gegen Angola] nicht mehr der Fall."(36) Belgien zertifiziert zwar den Diamantenhandel, aber nicht den Ursprung des Diamanten. Viele der Diamanten aus Angola werden mit denen aus Südafrika vermischt importiert. Eine Herkunftsbestimmung wird fast unmöglich, wenn Rohdiamanten aus verschiedenen Quellen vermischt werden. Die Ursprungsbestimmung ist bei geschliffenen Diamanten unmöglich. Alex Yearsley von Global Witness: "Es gibt vielleicht fünf Experten auf der Welt, die einen Diamanten betrachten könnten und dann sagen könnten, wo dieser herkommt. Leider arbeiten vier von ihnen für De Beers."(37)

Trotzdem hat die HRD angesichts des öffentlichen Drucks eine Task Force unter Leitung von Mark van Bockstael eingesetzt, um in Zusammenarbeit mit der UNO der angolanischen Regierung bei einem Zertifikatssystem zu helfen. Van Bockstaels vermutet allerdings, daß es wenigstens fünf Jahre bis zu einer technischen Lösung dauern wird.(38) Im Oktober 2000 wurde das neue Verifikationssystem bzw. Zertifikatsystem für Sierra Leone vorgestellt: Diamanten werden üblicherweise in "parcels" von bis zu mehreren Tausend Karat verkauft. Jedes "parcel" das aus staatlichen Minen in Sierra Leone kommt, wird von einem Ursprungszertifikat begleitet, das auf fälschungssicherem Papier, welches in der Staatsbank gelagert wird, gedruckt wird. Außerdem erhält der versiegelte Transportbehälter eine Ziffernfolge, eine fälschungssichere Importbestätigung, die an die Regierung in Sierra Leone zurückgeschickt werden muß, sowie digitale Photos der gelieferten Diamanten beigelegt.(39)

Angesichts der stark konzentrierten Struktur des Diamantenmarktes und angesichts der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der Privatwirtschaft hängt viel von dem "Goodwill" der Diamantenindustrie ab.

Sinkt der Stern De Beers?

In diesem ganzen Geflecht nimmt der Diamantenkonzern De Beers eine Sonderstellung ein. Ohne die Mitwirkung dieses Konzerns ist die gegenwärtige Debatte um wirkungsvolle Diamanten-Embargos hinfällig. Der Konzern ist ein Dinosaurier aus der Zeit des Imperialismus und war ein Unternehmen des Oppenheimer-Familienimperiums, zu dem auch Charter Consolidated und der Bergbaugigant Anglo American Corporation ursprünglich gehörten. Diese Firmen haben in vielen Kriegsgebieten Afrikas ihre Hände im Spiel gehabt, die weißen Minderheiten durch Waffen und politische Unterstützung an der Macht gehalten - immer im Gegenzug für exklusive Schürfrechte. Es war auch De Beers finanzielle Unterstützung der UNITA Rebellen in Angola, die überhaupt das Thema Diamanten-Embargo auf die Tagesordnung der internationalen Gemeinschaft gebracht hatte.(40) De Beers hatte von der UNITA Diamanten aufgekauft zur Gewährleistung der "Marktstabilität". Der Diamantenkonzern wurde 1888 von Cecil Rhodes gegründet. Unter Führung von Ernest Oppenheimer entstand ein beispielloses Diamantenkartell. Die richtungsweisende Entscheidung wurde 1934 getroffen, als angesichts der Depression die Diamantenpreise purzelten und der Konzern sich entschloß alle Diamanten aufzukaufen und weniger zu verkaufen, um den Preis wieder ansteigen zu lassen. Die Preis stiegen in der Folgezeit. Die Einnahmen benutzte De Beers, um die Stellung als zentraler Aufkäufer auszubauen. Durch Gründung der Central Selling Organisation (CSO) 1934 wurde auch die Kontrolle über den Verkaufspreis an die Juwelenindustrie gesichert.

Bis in die 90er Jahre mußten sich alle anderen Diamantenförderer und Juweliere dem Diktat beugen - wenn auch nicht ungern, da De Beers auch die Preisstabilität garantierte. Anfang der 90er Jahre förderte De Beers 40% der Rohdiamanten und über Aufkaufvereinbarungen weitere 50% der Weltproduktion.(41) Gleichzeitig entstand durch die Aufkaufpolitik ein gigantisches Reservoir an Diamanten, deren Gesamtwert 1999 auf 4,8 Mrd. $ geschätzt wurden - fast soviel wie der Jahresumsatz De Beers von 5,5 Mrd.$. Laut De Beers wurden die Bestände um 2,1 Mrd. $ auf 2,7 Mrd. $ reduziert.(42) Inzwischen nennt De Beers nur noch einen Weltmarktanteil von ca. 66%. Drei Faktoren zwingen De Beers gegenwärtig zu einer Restrukturierung des Unternehmens, was auch Folgen für die gesamte Diamantenindustrie haben wird: Unruhe der Aktienbesitzer, Erosion der Marktanteile und neue Konkurrenten.

Der Aktienkurs von De Beers spiegelt seit langem nicht mehr den geschätzten Realwert des Unternehmens (16 Mrd.$) wieder. Zum Teil lag der Kurs bei nur 70% am Johannesburger Aktienmarkt.(43) Vor allem die Aktienbesitzer aus den USA (1/3 der Aktienbesitzer) wollten mehr Erträge aus dieser brachliegenden Diamantenreserve ziehen. De Beers entschied sich dazu, in Zukunft nicht mehr durch Aufkauf großer Teile der Weltproduktion den Preis stabil zu halten, sondern vorzugsweise eigene Diamanten zu Marktpreisen zu verkaufen - vor allem aus ihren eigenen Reserven.(44)

Um einen Zusammenbruch des Marktpreises durch die Verkäufe der De Beers Diamanten zu verhindern, wird nun versucht, die Nachfrage zu steigern. Mehr als 170 Mio. $ wurden im letzten Jahr in die Werbung investiert und es ist natürlich klar, daß "nachdem mehrere hundert Millionen Dollar für Produktwerbungen ausgegeben worden sind, De Beers besorgt ist über alles was das Image des Diamanten als Symbol der Liebe, Schönheit und Reinheit beschädigen könnte."(45) Deswegen verkauft de Beers seit dem 27.3.00 auch alle Diamanten mit der Garantie, nicht in Rebellengebieten gefördert worden zu sein. Inzwischen hat De Beers auch seine Büros in Guinea und im Kongo geschlossen. Mit eigenen Markennamen bzw. Hologrammen ("forevermark") sollen die Diamanten unverwechselbar gemacht werden.(46) Allerdings bemerkt dazu Charmain Gooch von Global Witness: "Bis zum Embargo [gegen Angola] war es kein Geheimnis, daß [De Beers] angolanische Diamanten aufkauft. Was sie aber keinem erzählen, ist wie sie ihre Aufkaufstrukturen verändern."(47) Inzwischen sind auch erneut Vorwürfe erhoben worden, daß De Beers z.B. UNITA-Diamanten einfach über Zwischenhändler aufkauft.(48)

Trotzdem scheint es De Beers gelungen zu sein, ihre Verwicklungen in den angolanischen Bürgerkrieg gewinnbringend zur weiteren Dominanzsicherung zu nutzen. Die US-Organisation USAID vermutet zurecht auch, daß DeBeers von der Embargo-Diskussion profitiert, da sie am ehesten in der Lage sein werden, den Ursprung der Diamanten zu zertifizieren. Außerdem gefährdet eine Reduzierung der Bestände weniger den Marktpreis, wenn gleichzeitig ein Großteil afrikanischer Diamanten von einem Embargo betroffen sind. Der De Beers - Kritiker Edward Jay Epstein meint, daß De Beers durch die Unterstützung des Embargos von illegalen Diamantengeschäften in Angola und Sierra Leone die UNO effektiv zum Polizisten für ihre Strategie gemacht haben - wofür sie früher Diktatoren und Söldner gebraucht haben, nämlich Konkurrenten davon abzuhalten, billigere Steine auf dem Markt zu verkaufen.(49) Die bisherigen Reformen könnten dem Konzern auch helfen, ihre Position gegenüber der US-Regierung zu verbessern - einem wichtigen Markt. 1994 wurde De Beers aufgrund ihrer Monopol- bzw. Kartellstellung in der Preispolitik vor US-Gerichten wegen Verstoßes gegen die Anti-Trust-Gesetze angeklagt.(50) Durch ihre Entscheidung, sich aus dem west- und zentralafrikanischen Markt zurückzuziehen (mit einem Volumen von ca. 5,6 Mrd.$) öffnen sie das Feld für andere (US-)Firmen und erlauben somit Wettbewerb im amerikanischen Sinne. Eine weitere Gefahr für das Diamantenmonopol De Beers entstand durch die Bestrebungen einiger Diamantenförderstaaten, eigenständig die Fördermengen und Verkaufspreise zu steuern, allen voran Nambia und Rußland.(51)

Angefangen hat es mit der Entscheidung eines Konsortiums um Rio Tinto, die Produktion der größten Diamantenmine Argyle/Australien nicht mehr durch die CSO zu vermarkten. Gegenwärtig überlegt die Regierung Namibias, den Diamantenhandel zu deregulieren. Sie will den namibischen Diamantenproduzenten auch eine Lizenz zum Handeln geben und eine nationale Diamanten verarbeitende Industrie aufbauen. Diese Regelung soll auch für den bislang für De Beers reservierten Offshore-(küstennahen) Bereich gelten.(52)

In den Beziehungen zu Rußland bahnt sich ein ähnliches Problem an. In diesem Jahr läuft der Abnahmevertrag mit dem größten russischen Diamantenkonzern Almazy Rossii-Sakha (Alrosa) aus und beide Parteien haben eine einfache Verlängerung bereits ausgeschlossen. Die Vereinbarung sah vor, daß De Beers mindestens Diamanten im Wert von 550 Mio. $ aufkauft und durch die CSO vermarktet, wobei der Konzern z.B. 1999 insgesamt sogar für 900 Mio. $ Diamanten erwarb. Im Gegenzug verzichtet Alrosa auf eine eigenständige Preispolitik und Verkäufe.(53) Auch für die russische Regierung lohnt sich der Diamantenhandel. So wurden z.B. im letzten Jahr 560 Mio. $ an den Staat gezahlt - 0,3% der Gesamteinnahmen. Aus diesem Grund ist Rußland einer international unabhängigeren Rolle von Alrosa nicht abgeneigt. Mit ca. 1/4 der Weltdiamantenreserven in der Hinterhand, verfügt der Konzern über großes Verhandlungsgewicht. Schon Anfang der 90er hatte der Konzern erste Kontakte zu Angola und Nambia hergestellt.(54)

Aber auch neue, unabhängige Akteure versuchen in die Lücken zu drängen, die De Beers hinterläßt. Schon als De Beers Sierra Leone in den 80er Jahren verließ, tauchten sofort die Diamantenfirmen Rex Diamonds, Diamond Works und AmCan Minerals auf, um sich den Markt aufzuteilen.(55) In Angola konnte der russische Diamantenhändler Lev Leviev eine exklusive Marketingvereinbarung mit der Regierung unterzeichnen. In Zukunft werden die angolanischen Diamanten durch die Firma Ascorp, einem neuen Joint-Venture zwischen Leviev, Regierung und zwei belgischen Händler, an Leviev's russische und israelische Diamantenfirmen weiterverkauft und dort für den Markt verarbeitet.(56)

Trotz der Erosion der Weltmarktanteile und dem eingeschränkten Gestaltungsspielraum bei der Preisfestsetzung hat de Beers es in bezug auf die "blutigen Diamanten" geschafft, sich in eine vorteilhafte Position zu bringen. Ian Smilie von der NGO Partnership Africa Canada geht sogar soweit, De Beers zu drängen, in Sierra Leone wieder aktiv zu werden, da der Konzern über das nötige Gewicht verfügt, die Kontrolle über den dortigen Diamantenhandel durchzusetzen. Prompt hat De Beers der britischen Regierung angeboten, bei dem Aufbau einer "ordentlichen" Diamantenindustrie in Sierra Leone zu helfen.(57) De Beers Direktor, Tim Capon, durfte sich auch über die Mitkonkurrenten empören: Sie sind "bereit, mit allen Mitteln - inklusive Waffenlieferungen und Bezahlung von Söldnerfirmen - an Diamanten heranzukommen".(58) Vergessen sind die 50er Jahre, als De Beers aus Verärgerung über den substantiellen Diamantenschmuggel aus Sierra Leone heraus den ehemaligen britischen Agenten Percy Sillitoe anheuerte. Unter seinem Kommando und mit einem Freibrief der Kolonialbehörden ausgestattet , mordeten die Söldner seiner International Diamond Security Organisation viele Schmuggler an der Grenze zu Liberia.(59)
 

Opportunismus zahlt sich aus

Es ist eine zynische Empörung über die Fianzierung der RUF-Rebellen durch den Diamantenschmuggel. Die Global Players der Staaten- und Konzernwelt, die für die gegenwärtige Struktur der Weltwirtschaft verantwortlich sind und von ihr fast ausschließlich profitieren, beschweren sich über die von ihnen geschaffenen Kreaturen, die mit gleichen Mitteln auf kleinerem Niveau das gleiche Verhaltensmuster an den Tag legen. Boykott und Embargo wirtschaftlich benachteiligter Regionen ist immer leichter als Veränderung der eigenen Praktiken. Warum hat die US-Regierung ihre Diamantenhändler nicht früher unter Druck gesetzt, nicht in Kriegsgebieten zu investieren bzw. keine "Konfliktdiamanten" zu erwerben? Warum werden nicht die europäischen Sonderwirtschaftszonen, z.B. auf dem schweizer Flughafen in Genf, abgeschafft, durch die ein Großteil der illegalen Diamanten geschleust werden? Warum sträuben sich die OECD-Staaten einen Sanktionskatalog mit empfindlichen Strafen für internationale Konzerne zu entwerfen? Es war eben opportun, sich passiv zu verhalten bzw. diese oder jene Bürgerkriegspartei finanziell zu unterstützen und sich geostrategische Rohstoffrechte zu sichern.

Noch ist nicht einmal klar, wie groß der Anteil der Schmuggeldiamanten am Welthandel überhaupt ist. Statistiken werden nicht so genau geführt (auch von den sogenannten zivilisierten westlichen Staaten nicht) und jede Partei biegt sich die Fakten zurecht. De Beers redet von ca. 3,5% des 7 Mrd. Jahresumsatzes, das US State Department geht von 10-15% aus und die NGO's nennen sogar 20%.(60) Bei der Lösung des Problems werden dagegen die alten machterhaltenden Muster der ersten gegenüber der dritten Welt praktiziert. Im März 2000 hat USAID in Freetown/Sierra Leone einen Workshop zusammen mit De Beers und einer US-Diamantenfirma veranstaltet. Das Fazit wiederholt das herrschende Dogma: "Das Problem einer Konfliktstimulierung durch Diamanten kann durch den freien Markt gelöst werden, wenn bestimmte Bedingungen geschaffen werden."(61) Als diese Rahmenbedingungen schwebt dem US State Department ein globales Vermarktungssystem vor, welches durch multilaterale Abkommen zwischen den afrikanischen Staaten eingerichtet wird und von den USA überwacht wird!(62)

Der Preis für Diamanten aus den Konfliktregionen Sierra Leone, Angola und der DR Kongo soll um 70% gefallen sein aufgrund des Diamantenembargos. Damit erfüllt sich die Zielsetzung von Alex Vines, Human Rights Watch: "Der Diamantenschmuggel kann nicht verhindert werden. Aber die Kosten des Schmuggelns können erhöht werden."(63) Und im Prinzip ist auch Yearsley von der NGO Global Witness zuzustimmen: "Es ist richtig, daß De Beers das Thema Konfliktdiamanten zum eigenen ökonomischen Vorteil benutzt hat. (...) Aber wenn dies notwendig war um diese Angelegenheit [Diamanten-Embargo] durchzusetzen, muß es halt so sein."(64)

Trotzdem bleibt es zu beweisen, daß ein Embargo die Gewalttätigkeiten reduziert, gerade in Regionen, wo Kleinwaffen im Überfluß vorhanden bzw. alltäglicher Gebrauchsgegenstand sind (Machete). Ihre Sogwirkung haben die Herausforderer der staatlichen Macht nicht durch Geld erzielt, sondern durch Ausnutzung bestehender sozialer und wirtschaftlicher Mißstände. Daran wird sich auch durch ein Embargo gegen unliebsame bewaffnete Gruppen nichts ändern. Das Embargo scheint vielmehr die Position der internationalen Konzerne zu stärken, die den Markt dominieren, und auch kleinere Unternehmen die Möglichkeit zu geben, im Schmuggel und den Begleitgeschäften Geld zu verdienen, und damit erst jene Struktur zu schaffen, die eine sich selbst stützende Bürgerkriegsökonomie ermöglicht. Auch die "besorgten Staaten" sind je nach ihrem geostrategischem und wirtschaftlichen Interesse nur im Rahmen gewisser Grenzen bereit, tatsächlich transparente und faire Wirtschaftsstrukturen zu schaffen.

Sierra Leone ist auf dem besten Wege, zum Dauertestgelände für westliche Billig-Interventionspolitik zu werden. Eine friedliche Lösung durch massive wirtschaftliche Aufbauhilfe und bessere und fairere Eingliederung in den Weltmarkt steht für sie nicht zur Debatte. Lieber soll die Bevölkerung zwischen den bewaffneten Gruppen aufgerieben werden. cs

Anmerkungen:
(1) Diamantenhändler in Antwerpen, The Guardian, 7.6.00
(2) ECOMOG steht für Economic Community of West African States Monitoring Group. UNAMSIL steht für United Nations Mission in Sierra Leone. Ein ungenügend überarbeitetes Waffenembargo existiert bereits seit 1997 (UN-Sicherheitsrat: Resolution 1132 (1997). Es wurde 1998 dahingehend modifiziert, daß es nur noch die RUF betrifft. (Resolution 1171 (1998). Bis Dezember 1999 lag die Zuständigkeit für die Überwachung bei der ECOMOG, seit Anfang 2000 direkt bei der UNO. Aber ähnlich wie beim Waffenembargo gegen Liberia werden nur langsam Überwachungsstrukturen geschaffen. In Liberia dauerte es drei Jahre bis 1995 der UN Sicherheitsrat ein Koordinierungskomitee eingerichtet hat. Vgl. Human Rights Watch: Neglected Arms Embargo on Sierra Leone, Briefing Paper, 15.5.00 
(3) Es sind die gleichen Staaten, die lange von den Entwicklungen in Sierra Leone profitiert haben und die im Falle Nigerias den Öl-Boykott gegen Shell nicht unterstützt haben - in ihren Augen eine "legitime" Regierung bzw. Militärdiktatur.
(4) Zum Beispiel durch Versuche der USA und Großbritannien, das Embargo auch auf Liberia auszuweiten, in dem der ehemalige Rebellenführer Charles Taylor an die Macht gekommen ist.
(5) Ein Beispiel ist die Diamantenförderung in der Stadt Kenema, wo Kamajor, Rebellen und Soldaten friedlich nebeneinander arbeiten. Obwohl eine "befreite" Stadt, erlaubt der Stadtkommandant den Rebellen den Zugang, um einerseits die RUF-Rebellen nicht zu provozieren und andererseits, um von den Diamantenverkäufen zu profitieren. The Guardian, 24.6.00
(6) analyse und kritik (ak), Nr. 439, 8.6.00, S.16
(7) In Sierra Leone werden seit den 30er Jahren Diamanten gefördert. 1995 exportierte Sierra Leone Diamanten im Wert von ca. 220 Mio.$, wovon ca. 2,5% als Steuer direkt in den Staatshaushalt floß. Vgl. Conciliation Resources: Resources, Primary Industry and Conflict in Sierra Leone. September/Oktober 1997, http://www.c-r.org/occ_papers/briefing3.html.
(8) Nach Namibia besitzen Sierra Leonesische Diamanten die höchste Qualität. Seit der ersten Entdeckung von Diamanten in Kono wurden dort Diamanten im Wert von ca. 50 Mio Karat gefördert. Vgl. Conciliation Resources, s.o. Mehr über Diamanten und ihre Eigenschaften und industrielle Bedeutung z.B. in Concord Times (Freetown), 21.7.00
(9) Vgl. Conciliation Resources, s.o.; Die Profitmargen werden manchmal auch dadurch größer, daß das Geschäft zur Geldwäsche benutzt wird. Financial Times (FT), 10.7.00)
(10) David Pratt: Sierra Leone - Forgotten Crisis. Special Report to the Foreign Minister of Canada, 23.4.1999 http://www.sierra-leone.org/pratt042399
(11) Branch Energy will 12 Mio.$ in Explorationen zwischen 94-96 gesteckt haben.Damals wurde Branch Energy von Carson Gold aufgekauft und Ende 96 erwarb die kanadische Diamond Works 100% der Anteile. Vgl. Africa Confidential: Chronology of Sierra Leone - How Diamonds fuelled the conflict. http://www.africa-confidential.com/special.htm. Zur Söldner-Problematik siehe auch ami 1-2/98, S.26; illoyal Nr.7/1999, S. 23
(12) Drillbits&Tailings, 21.8.97
(13) Laut Africa Confidential (siehe oben) studiert Strasser seit seiner Absetzung Jura in London mit finanzieller Unterstützung der britischen Regierung
(14) Die Kamajor-Milizen waren ursprünglich Jäger- und Wächtergemeinschaften des Mende Volkes. 2-3.000 der ca. 35-40.000 Kamajor wurden von Executive Outcomes ausgebildet. Unter Präsident Kabbah, der seiner Armee nicht vertraut hat, wurden sie zielgerichtet mit Waffen ausgerüstet. Sie werden von Samuel Hinga Norman, dem Stellvertretenden Verteidigungsminister, koordiniert - einem ehemaligen und inzwischen verfeindeten Weggefährten Foday Sankohs. Vgl. David Pratt, s.o.
(15) Vgl. ami 3/98, S.50ff; ami 7-8/97, S.30; illoyal Nr.7/1999, S.23. Bereits im Februar 1997 wurde der Anführer der RUF, Foday Sankoh, auf einer offiziellen Reise nach Nigeria dort unter Hausarrest gestellt. Nach der Flucht ins Hinterland übernahm die RUF unter Stellvertreter Sam Bockarie das Kommando und Koroma wurde für 18 Monate gefangen gehalten. Dennis Bright: Implementing the Lomé Peace Agreement, in: Accord Paper 9: Paying the Price - the Sierra Leone Peace Process, Africa Confidential, s.o.
(16) Conciliation Resources, s.o.
(17) Africa Confidential, s.o.
(18) Jungle World 26.2.98
(19) Foday Sankoh erhielt als Vorsitzender der neuen Commission for the Management of Strategic Resources, National Reconstruction and Development (CMRRD) die Kontrolle über die Lizensierung von Bergbauprojekten. Er nutzte sein Veto-Recht, da ansonsten eine politische Beteiligung und damit auch finanzielle Zuwendungen für die RUF nicht vorgesehen war. Koroma wurde Vorsitzender der Council for Confidence Building. Vgl. Human Rights Watch, s.o. und Dennis Blight, s.o.
(20) Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 26.5.00; Human Rights Watch, s.o. Die RUF hat nur 5.000 Waffen übergeben. Aber durch (freiwillige) Entwaffnungen der ECOMOG und UN-Truppen hat sie auch neue Waffen erhalten und bekommt weitere Waffen über Liberia. Human Rights Watch, s.o.
(21) FAZ, 11.5.00
(22) UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA): Sierra Leone Humanitarian Situation Report 26.1.-23.2.01, http://www.reliefweb.org
(23) David Pratt, s.o.. Von der alten SLA sollen nur ca. 2.000 Soldaten übernommen werden. Die Briten haben die Streitkräfteobergrenze auf 5.000 festgelegt. Der Anführer der Kamajor würde am liebsten alle übernommen sehen, wogegen sich aber die Nigerianer stemmen, die gegen die Kamajor Vorbehalte haben. Die Ausbildung der SLA soll Großbritannien übernehmen.
(24) Als bereits über eine Aufstockung von 11.000 auf 13.000 Soldaten verhandelt worden ist, befanden sich nur 8.700 UNAMSIL-Soldaten in Sierra Leone. Janes Defense Weekly (JDW), 17.5.00, S.20
(25) Zur Evakuierung der Commonwealth-Angehörigen wurden kurzfristig sogar 1.500 Soldaten eingesetzt. Vor der Küste waren zeitwillig auch der Flugzeugträger "Illustrious" mit 13 Harrier-Kampfflugzeugen und vier Kampfschiffe stationiert. JDW, 17.5.00, ak, 8.6.00
(26) Africa Confidential, s.o.
(27) JDW, 24.5.00; Frankfurter Rundschau (FR), 30.5.00; FAZ, 19.1.00
(28) The Observer, 15.5.00; ZA Business (Südafrika), 3.7.00; ZA Business, 6.9.00; Diamond News 7/00.Jim Fisher-Thompson: White House Conference on Problem of "Conflict Diamonds", US Department of State, Washington File, 10.1.01, http://www.usinfo.state.gov
(29) Diamanten werden in ca. 26 Staaten gefördert und in ca. 30 Staaten weiterverarbeitet. Ca. 80% der geförderten Diamanten werden für industrielle Zwecke eingesetzt. Siehe Global Witness: Conflict Diamonds - Possibilities for the Identification, Certification and Control of Diamonds. Briefing Document, London, Juni 2000, unter http://www.oneworld.org/globalwitness zu finden 
(30) UNO: Report of the Panel of Experts Appointed Pursuant to Securtiy Council Resolution 1306 (2000), § 19 in Relation to Sierra Leone. Dokument S/2000/1195, 20.12.00. Vgl. auch Global Witness, Juni 2000, s.o.
(31) UNO, s.o., 20.12.00
(32) Einigen Aufschluß über das Volumen des Diamantenschmuggels der RUF geben die Aufzeichnungen Sankohs, die nach seiner Flucht gefunden worden sind. Zwischen 30.10.98 und 1.1.00 wurden 10.137 Kono-Diamanten verkauft. FT, 10.7.00. UNO, s.o., 20.12.00
(33) The Guardian, 13.1.00
(34) FT, 10.7.00; The Guardian, 13.1.00
(35) The Guardian, 28.3.00; In den ersten neun Monaten 1999 wurde in Antwerpen ein Umsatz von ca. 18 Mrd.DM erzielt. Insgesamt macht der Diamantenhandel durchschnittlich 7% der belgischen Exporte aus. The Gazette (Montreal), 12.4.00
(36) Reuters, 3.4.00
(37) Reuters, 3.4.00
(38) The Gazette, 12.4.00. Zu den möglichen technischen Verifikationsmöglichkeiten siehe Global Witness Juni 2000, s.o.
(39) Kate Dunn: Tainted Gems Lose Sparkle as Prices Fall, in: Christian Science Monitor, 27.10.00
(40) Durch die UN-Sicherheitsratsresolutionen 1173 und 1176 wurde 1998 ein Embargo gegen den Diamantenhandel verhängt, welches auch von der Europäischen Union übernommen worden ist. Sie verbieten den Import von angolanischen Diamanten, die nicht von einem Certificate of Origin der angolanischen Regierung begleitet werden. Diamanten waren und sind die Hauptfinanzierungsquelle der UNITA, die seit 1992 ca. 60-70% der Diamantenfördergebiete kontrolliert. Insgesamt soll die UNITA nach Angaben der NGO Global Witness zwischen 1992 und 1998 ca. 3,72 Mrd.$ mit dem Verkauf von Diamanten erwirtschaftet haben. Global Witness Presseerklärung: Is the price of diamonds to high?, 14.12.98, http://www.oneworld.org/globalwitness
(41) Botswana, bzw. die Staatsfirma Debswana (50% Staat 50% De Beers) ist der größte Diamantenlieferant für De Beers. Hinzu kommen Minen in Südafrika, das Joint-Venture mit Namibia (NamDeb), welches ca. 10% der Jahresproduktion ausmacht. Hauptaufkaufregionen sind Angola und Rußland.
(42) New York Times (NYT), 22.8.00; FT, 11.7.00. Für das Jahr 2000 hat De Beers 5,67 Mrd. $ Umsatz angegeben und damit 1,7 Mrd. $ vor Steuern als Gewinn erwirtschaftet. Für 2001 werden allerdings nur 4,8 Mrd. $ Umsatz angepeilt. FAZ, 1.3.01
(43) ) Inzwischen besteht für die De Beers allerdings die Gefahr einer Übernahme durch die Anglo-American Company. Diese will in einem Konsortium mit der Oppenheimer Familie und der botswanesischen Staatsfirma Debswana De Beers übernehmen. Ursprünglich besaßen AAC und De Beers gegenseitig Aktienanteile (32,3% bzw. 35,4%). Daneben will AAC auch noch den südafrikanischen Konkurrenten Gold Fields aufkaufen. Business Day, 2.2.01, http://www.africa.com; ak Nr.447, 22.2.01
(44) In einem weiteren Schritt soll die CSO in den Hintergrund treten und von der ebenfalls 1934 gegründeten Diamond Trading Company ersetzt werden. FT, 11.7.00
(45) FT, 11.7.00
(46) The Guardian, 28.3.00; NYT, 22.8.00; De Beers definiert "Konfliktdiamanten" als "Diamanten, die von Rebellen in Afrika abgebaut oder gestohlen werden, die sich in Opposition zur legitimen Regierung eines Landes befinden.". Post Express, 30.5.00
(47) IRIN: De Beers says it is complying with diamond embargo, 18.6.99
(48) Neues Deutschland, 26.1.01
(49) NYT, 22.8.00
(50) FT, 11.7.00
(51) Von allen Diamantenförderstaaten hat nur Botswana einen Sitz im Aufsichtsrat der CSO und ca. 10% der Unternehmensanteile gestattet bekommen. Mail&Guardian, 30.4.99.
(52) Mail&Guardian, 30.4.99
(53) Moscow Times / Independent Press, 19.7.00; Mail&Guardian, 30.4.99
(54) FT, 11.7.00; Mail&Guardian, 30.4.99
(55) The Guardian, 3.9.00
(56) FT, 11.7.00
(57) The Guardian, 24.5.00
(58) The Guardian, 13.1.00
(59) Daniel Kempton / R.L. Du Preez: Namibian-De Beers State-Firm Relationship, in: Journal of Southern African Studies, Vol.23, Nr.4, 12/1997, S. 590
(60) ZA Business, 3.7.00; Observer, 15.5.00. Den höchsten Anteil von 24% warf jüngst Neal Lane, Clintons Berater für Wissenschaft und Technik, in die Runde. Vgl. Jim Fisher-Thompson, s.o.
(61) FT, 8.6.00
(62) Vgl. Jim Fisher-Thompson, s.o. Der im Jahr 2000 gegründete World Diamond Council bzw. sein Präsident Eli Izhakoff gab anläßlich einer Konferenz im Weißen Haus / Washington D.C. bekannt, daß bereits eine US-Rechtsanwaltsfirma Akim Gump an einem Entwurf für einen Rechtskodex arbeitet.
(63) The Gazette (Montreal), 12.4.00
(64) Kate Dunn, s.o
 

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